Vier Gründe, warum sich ein Studium oder eine Weiterbildung in Gebärdensprachdolmetschen lohnt:
Bei dem Gebärdensprachdolmetschen handelt es sich um eine noch recht junge Profession in der Schweiz. Erst seit dem Inkrafttreten von Gleichstellungsgesetzen und der Anerkennung der Gebärdensprache als vollwertige Sprache ist eine Professionalisierung in diesem Bereich möglich. Heute sind Dolmetscher / Dolmetscherinnen primär bei der Polizei, bei Gericht und in Bildungseinrichtungen beschäftigt. Auch im medizinischen Bereich ist eine Beschäftigung im Gebärdensprachdolmetschen möglich.
In der Vergangenheit wurde der Beruf des Gebärdensprachdolmetschers staatlich nicht anerkannt. Das bedeutete, dass Dolmetscher / Dolmetscherinnen keine rechtliche Grundlage für die Geltendmachung ihrer finanziellen Auslagen hatten. So haben beispielsweise lange Zeit Seelsorger / Seelsorgerinnen oder Sozialarbeiter / Sozialarbeiterinnen Eltern von gehörlosen oder hörgeschädigten Kindern im Alltag unterstützt. Die Verdolmetschungen waren aus diesem Grund häufig nicht professionell und neutral. Zudem hatte diese eher einen beratenden und fürsorglichen Charakter.
Wegen der Professionalisierung des Berufs Gebärdensprachdolmetscher / Gebärdensprachdolmetscherin ist seit Anfang der 2000er-Jahre ein qualifizierender Abschluss als Gebärdensprachdolmetscher / Gebärdensprachdolmetscherin in vielen Bereichen erforderlich. Einige Dolmetscher / Dolmetscherinnen, die bereits Jahre in diesem Bereich tätig waren, mussten sich nachqualifizieren.
Seit 2009 gilt in vielen Ländern die UN-Behindertenrechtskonvention. Diese soll die gesellschaftliche Teilhabe und Inklusion behinderter und/oder beeinträchtigter Menschen sicherstellen. Mit der Konvention rückte die Gebärdensprache wieder in den gesellschaftlichen Fokus. So sind aktuell bei öffentlichen Veranstaltungen häufig Gebärdensprachdolmetscher / Gebärdensprachdolmetscherinnen anwesend. Diese helfen Gehörlosen dabei, sich in das kulturelle, soziale und politische Leben zu integrieren.
Derzeit gibt es in der Schweiz nur eine Möglichkeit, den Beruf des Gebärdensprachdolmetschers zu erlernen. An der interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik (HFH) wird der Studiengang Sign Language Interpreting angeboten. Um dieses Bachelorstudium aufnehmen zu können, müssen Interessenten die Gebärdensprache bereits beherrschen. Ausserdem müssen Interessenten die gymnasiale Matura, die Berufsmatura, einen Fachhochschulabschluss oder ein Lehrdiplom, das für die Vorschul-, Primar- oder Sekundarstufe eins befähigt, vorweisen können. Eine Weiterbildung im Gebärdensprachdolmetschen wird aktuell nicht angeboten.
Nach dem Studium arbeiten die meisten Absolvierenden des Studiengangs Sign Language Interpreting in einem Angestelltenverhältnis. Aktuell gibt es in der Schweiz lediglich einen möglichen Arbeitgeber. Bei diesem Arbeitgeber handelt es sich um die Stiftung Kommunikationshilfen für Hörgeschädigte («Procom»). Die Stiftung vermittelt Dolmetscher / Dolmetscherinnen an Unternehmen und Privatpersonen. Ein Master-Studium nach dem Bachelor in Gebärdensprachdolmetschen aufzunehmen, ist bislang nicht möglich, da es in der Schweiz bis dato keinen Master-Studiengang im Bereich Gebärdensprachdolmetschen gibt.
Die Nutzung der Gebärdensprache verlangt einen hohen körperlichen Einsatz. Die genauen Anforderungen sind abhängig vom jeweiligen Auftrag.
Ein spannender Aspekt des Studiums Gebärdensprachdolmetschen ist, dass Gehörlose eine eigene Kultur entwickelt haben und es sehr spannend ist, in diese einzutauchen. Im Beruf des Gebärdensprachdolmetschers / Gebärdensprachdolmetscherin gibt es wenig Aufstiegsmöglichkeiten und das Gehalt ist nicht besonders hoch. Interessenten sollten deshalb eher sozial eingestellt sein und helfen wollen. Wer als Gebärdensprachdolmetscher / Gebärdensprachdolmetscherin arbeitet, profitiert von sehr vielfältigen und abwechslungsreichen Arbeitseinsätzen. Routine und Langeweile gibt es in diesem Beruf nicht. Gebärdensprachdolmetscher / Gebärdensprachdolmetscherinnen lernen sehr viele verschiedene Menschen aus allen sozialen Schichten kennen.
Gebärdensprachdolmetscher / Gebärdensprachdolmetscherinnen haben keine geregelten Arbeitszeiten. Die Fachkräfte im Bereich Gebärdensprachdolmetschen werden eingesetzt, wenn diese gebraucht werden. Aus diesem Grund sollten diese möglichst zeitlich flexibel, belastbar und stressresistent sein. Ausserdem wird beim Gebärdensprachdolmetschen viel Körpereinsatz verlangt. Wer sich für einen Jobeinstieg interessiert, sollte daher körperlich fit sein und schnell reagieren können. Besonders wichtig ist, dass Gebärdensprachdolmetscher / Gebärdensprachdolmetscherinnen in ihrem Arbeitsalltag zurückhaltend, ruhig und gelassen auftreten. Auch müssen die Fachkräfte unbedingt darauf achten, korrekt zu übersetzen und bei ihren Übersetzungen keine eigenen Meinungen und Wertungen einfliessen zu lassen. Dies würde die Übersetzung des Gebärdensprachdolmetschen verfälschen. Besonders schwer fällt dies natürlich, wenn die Dolmetscher / Dolmetscherinnen einmal ganz anderer Meinung sind als die Person, dessen Worte übersetzt werden müssen.
Bevor in der Schweiz das Bachelorstudium Gebärdensprachdolmetschen (Sign Language Interpreting) aufgenommen werden kann, müssen Studienbewerbende die Gebärdensprache beherrschen. Grundsätzlich handelt es sich bei der Gebärdensprache um eine bunte und vielfältige Sprache. Um diese zu sprechen, muss viel mit den Händen, der Mimik, den Armen und der Körperhaltung gearbeitet werden. Die Gebärdensprache ist dreidimensional. Gerade für hörende Menschen ist das Erlernen der Sprache häufig eine grosse Herausforderung. Auch Emotionen müssen nämlich oft übersetzt werden. Die Gebärdensprache kann aber prinzipiell von jedem erlernt werden.
In der Regel benötigen Erwachsene ein bis drei Jahre, um die Sprache zu beherrschen. Wer regelmässig mit Gebärdensprachnutzenden kommuniziert, kann die Sprache besonders schnell lernen. Veranstaltungen oder Treffen sind für Neuanwender / Neuanwenderinnen eine gute Möglichkeit, das Gelernte praktisch anzuwenden.
Um das Gebärdensprachdolmetschen zu lernen, kann eine Weiterbildung besucht werden. Das Angebot ist recht gross, gerade in grösseren Städten in der Schweiz. Auch gibt es die Möglichkeit die Sprache daheim im Eigenstudium zu erlernen. Verschiedene Online-Lernprogramme und Apps können dabei helfen.
Gebärdensprache ist übrigens nicht gleich Gebärdensprache: In der Schweiz gibt es drei verschiedene Gebärdensprachen: Die Französische (LSF), die Deutschschweizerische (DSGS) und die Italienische Gebärdensprache (LIS). In der Deutschschweiz gibt es ausserdem fünf Dialekte: Bern, Basel, Zürich Luzern und St. Gallen. Damit Gehörlose oder Hörgeschädigte auch über die Sprachgrenze hinweg miteinander kommunizieren können, nutzen diese die «Verkehrssprache» International Sign Language.