Gepostet 06.11.2015, Myriam Arnold
Die diesjährige Zentralschweizer Bildungsmesse (Zebi) weckt und stillt Wissensdurst gleichermassen und gibt Impulse. Zwei Jugendliche gewähren auf ihrem Zebi-Rundgang Einblicke in die Fachkräfte-Generation von morgen.
Es ist morgens um halb neun. Die Sonne strahlt bereits über der Luzerner Allmend, die Luft ist aber noch kühl und frisch. Die Vögel zwitschern. Wären da nicht das farbige Laub und die leichten Schleier an Bodennebel, könnte man vergessen, dass es Anfang November ist. Es herrscht Stille auf dem grossen Platz vor der Messe Luzern. Noch.
Die Ruhe vor dem (An)Sturm währt nicht lange. Langsam steigen vermehrt Schulklassen mit Lehrpersonen und Jugendlichen die Treppen des Untergrundbahnhofs empor und erreichen den sonnigen Platz. Wie Murmeltiere, die nach dem Winterschlaf ihre Höhle verlassen, will sich jeder eine Stelle an der Morgensonne sichern, während man wartet. Und zwar darauf wartet, dass es neun Uhr wird und die Zentralschweizer Bildungsmesse (Zebi) eröffnet. Der Eingangsbereich der Messe Luzern gleicht nun einem Pausenhof. Hier eine Gruppe Mädchen, die sich in Gespräche vertieft, da eine Horde Jungs, die rumalbert, lacht, dort eine Lehrerin, die letzte Instruktionen gibt.
Um Punkt neun ist es dann soweit. Die achte Zebi öffnet ihre Tore für die nächsten vier Tage. In zwei Hallen präsentieren sich 140 Berufe und über 600 Weiterbildungen. Das Angebot ist gross. Sich hier zu orientieren und zurechtzufinden ist anfangs keine leichte Sache, wie auch die 14-jährige Leonie und die 15-jährige Jessica am eigenen Leib erfahren. Mit einem Hallenplan ausgestattet machen sich die beiden Zugerinnen an die Aufgabe, die ihnen ihr Klassenlehrer Joël Weiss vom Kollegium St. Michael in Zug aufgetragen hat. „Wir sollen uns zwei Berufe genauer anschauen und Fragen dazu beantworten“, instruiert Jessica.
„Es ist spannend, etwas über einen Beruf zu erfahren, an den man so noch gar nie gedacht hat.“
Bevor es an die Arbeit geht, gönnen sich die beiden Schülerinnen der zweiten Oberstufe eine Kostprobe am Emmi-Stand. Obwohl das Jogurt schmeckt, sei eine Lehre als Milchtechnologin für beide keine Option. „Ich möchte lieber in die Richtung Gesundheit“, sagt Leonie. „Ich mag den Umgang mit Menschen und bin hilfsbereit. Ein Job im Labor wäre daher nichts für mich.“ Der Rundgang führt sie weiter zu einem mit Blumen dekorierten Stand. Das Schild verrät, dass sich hier Jardin Suisse Zentralschweiz präsentiert. Jessica und Leonie holen ihre Aufgabenblätter hervor, um den Beruf der Gärtnerin beziehungsweise des Gärtners genauer unter die Lupe zu nehmen. „Es ist spannend, etwas über einen Beruf zu erfahren, an den man so noch gar nie gedacht hat“, sagt Jessica. Auch sie ist sich bereits ziemlich sicher, wohin sie ihr beruflicher Weg führen wird, nämlich in den kaufmännischen Bereich.
Zur Entscheidung ihrer Berufswahl hätten das Schulfach Berufskunde, Besuche im Berufsinformationszentrum (BIZ) und ihre Eltern beigetragen. Ausserdem hätten die beiden Zugerinnen diverse YouTube-Videos zu ihren entsprechenden Wunschberufen geschaut. „In diesen Videos wird einem gezeigt, was die Lehre beinhaltet und wie ein Tag bei der Arbeit aussehen könnte“, erklärt Leonie. Ob diese Videos Schnupper-Lehren ersetzen würden, verneinen sie. „Dieser Schritt steht noch an“, sagt Jessica. Leonie ergänzt: „Ich muss nächste Woche damit anfangen, einen Platz zum Schnuppern zu finden. Meine Mutter sagt, ich solle langsam Gas geben.“
Obwohl Jessica und Leonie selber nicht mehr im Dunkeln tappen, was ihre Berufswahl angeht, wollen sie dennoch andere Berufsgattungen und Weiterbildungsmöglichkeiten kennenlernen. Sie führen ihre Runde durch die Zebi fort und bleiben vor einer auffälligen Konstruktion in der Halle 2 stehen. In zahlreichen Röhren und Behältern aus Glas fliesst, tröpfelt und blubbert farbige Flüssigkeit. An manchen Stellen steigt Dampf auf und kondensiert wiederum am Glasdeckel. Man hat den Stand der Chemie- und Pharmatechnologie erreicht.
„Der Lohn ist schon auch ein Kriterium bei der Wahl der Lehrstelle.“
Mit gezücktem Aufgabenblatt stellen sie dem anwesenden Lernenden Fragen zum Beruf. Sie staunen über die Geschichten von gefährlichen Substanzen, aber auch über den Verdienst, den ein Pharmatechnologe nach der Lehre erwartet. „Der Lohn ist schon auch ein Kriterium bei der Lehrstellenwahl“, gestehen die zwei. Ausserdem solle es eine Berufslehre mit Zukunft sein und die Möglichkeit bieten, sich weiterzubilden und -entwickeln. An welche Weiterbildungsmöglichkeiten die 15-jährige Jessica in ihrem Fall denkt? „Ich möchte besser werden im Englisch und darum einmal einen Sprachaufenthalt machen.“ Bei Yalea Languages versorgt sie sich darum mit Informationsmaterial und einem Gutschein.
Auch Leonie denkt einen Schritt weiter: Sie informiert sich am Stand der Zentralschweizer Interessengemeinschaft Gesundheitsberufe ZIGG über die Tätigkeit der Rettungssanitäterin beziehungsweise des Rettungssanitäters und legt sogleich selbst Hand an. Sie führt unter Anleitung der anwesenden Spezialistin eine Herzmassage an der Reanimationspuppe durch. Der Patient überlebt und Leonie – etwas ausser Atem – strahlt: „Das war anstrengend, aber cool!“
Auch wenn das Kriterium der Weiterbildungsmöglichkeiten in die Berufswahl mit einfliesst, so wollen Leonie und Jessica zuerst eine Hürde nach der anderen nehmen. „Alles kann sich noch ändern. Die Weiterbildung, die ich heute machen will, ist vielleicht morgen schon nicht mehr das Richtige. Als ich klein war, wollte ich ja auch noch Detektivin werden“, sagt Jessica grinsend. Und so ziehen die Jugendlichen weiter ihre Kreise durch die Zebi, wo sie ihre Neugier stillen, Wettbewerbe ausfüllen, lachen, staunen, hinterfragen, anpacken, sich inspirieren lassen und Ziele fassen für die Zeit, die ihnen bevorsteht.