Gepostet 18.02.2016, Myriam Arnold
Englisch ist in aller Munde. Die einen müssen, die anderen wollen ein Sprachdiplom wie das First Certificate in English (FCE) oder das Certificate in Advanced English (CAE) vorweisen. Um ein solches Zertifikat zu erlangen, bieten sich Sprachkurse oder Sprachaufenthalte an. Eine Schweizerin machte genau das. Dabei verlief nicht alles nach Plan.
Adriana war 23 Jahre jung, als sie vor einem Scheideweg stand. Ihren Job im kaufmännischen Bereich hatte sie gerade aufgegeben. „Es gab da diesen Moment. Ich wusste plötzlich ganz genau, dass ich aufzubrechen habe. Obwohl ich noch nicht wusste, wohin“, erinnert sie sich. Es sei ein Risiko gewesen, ohne neue Anstellung, ohne Perspektive und ohne Ziel den sicheren Hafen zu verlassen, das weiss die inzwischen 30-jährige Zürcherin. „Ich wusste nicht, was ich will. Aber ich wusste, was ich nicht will.“ Der Berufsalltag als Kauffrau hatte sie nicht glücklich gemacht. Also ging sie. In eine ungewisse Zukunft.
„Mit der Berufsmatura im Gepäck standen mir fast alle Türen offen. Ich nahm mir für die Suche nach dem Studiengang viel Zeit. Als Arbeitslose hatte ich ja genug davon“, ergänzt die 30-Jährige lachend. In der Sozialen Arbeit wurde sie fündig und immatrikulierte sich. Einziger Haken: Studienbeginn Herbst. „Um die Zeit zwischen Mai und September zu überbrücken und dennoch etwas Sinnvolles zu tun, entschied ich mich für einen Sprachaufenthalt im englischsprachigen Raum“, sagt Adriana. „Da mein Englisch ein bisschen eingerostet war, schrieb ich mich für einen dreimonatigen Sprachkurs auf dem Niveau B2 ein.“ Gleichzeitig meldete sie sich für die Cambridge-Prüfung an, um das First Certificate in English (FCE) zu erlangen.
„Ich wusste nicht, was ich will. Aber ich wusste, was ich nicht will.“
Ihre Reise brachte sie kurz darauf nach Vancouver im kanadischen British Columbia, das bis zu sechs Monate ohne Studenten-Visum bereist werden kann. Am ersten Tag trafen sich alle Neuankömmlinge im Gemeinschaftsraum der Sprachschule. „Die Leute kamen aus aller Welt. Jeder brachte seine eigene Geschichte mit und hatte Pläne für die Zukunft. Für die nächsten Monate ging es uns aber allen gleich und wir hatten dasselbe Ziel: Fernab von zu Hause Englisch lernen. Sowas verbindet enorm“, meint Adriana. Es sei ein Leichtes, Anschluss zu finden.
Nach dem Willkommensgruss stand die Standortbestimmung an. „Nach der schriftlichen Prüfung gab es noch ein Gespräch mit einer Lehrperson und danach wurden wir in Klassen eingeteilt.“ Adriana suchte aber vergebens nach ihrem Namen auf der FCE-Liste. „Als ich dann zur Rektorin ging, eröffnete mir diese, dass sie mich der CAE-Klasse zugewiesen habe. Zuerst glaubte ich, dies sei ein schlechter Scherz“, schmunzelt die Zürcherin. Ihr ‚Writing‘ und ‚Speaking‘ seien vielversprechend gewesen. Sie hätte Potential. „Die Rektorin der Sprachschule war überzeugt, dass ich mit Fleiss das Certificate in Advanced English schaffen würde“, so die Sozialarbeiterin. „Ich muss zugeben, dass dieses Bauchpinseln meine Entscheidung beeinflusste.“ So belegte die damals 23-Jährige den C1-Kurs.
„Bereits in der ersten Lektion dachte ich, ich bin im falschen Film.“
Das gute Gefühl der Standortbestimmung verflog jedoch schnell. „Bereits in der ersten Lektion dachte ich, ich bin im falschen Film. Das Englisch-Niveau der Klasse in Grammatik, Vokabeln und Redefluss war enorm hoch.“ Adriana wurde klar, dass ihr alles Potential nichts brachte, wenn sie es nicht auszuschöpfen lernte. Sie musste sich hineinknien, alles geben und über sich hinauswachsen, um am Schluss das CAE-Zertifikat in den Händen halten zu können. „Aus einem spassigen Sprachaufenthalt wurde harte Arbeit“, bilanziert die Sozialarbeiterin.
Schritt für Schritt lernte die Klasse – unter der strengen Aufsicht der britischen Lehrerin – die Strategien und Taktiken kennen, um die CAE-Prüfung erfolgreich zu bestreiten. „Es ist in der Tat so, dass man in einem Cambridge-Sprachkurs nicht grundsätzlich das Englisch-Niveau erhöht. Es wird einem viel mehr gezeigt, wie man die Prüfung besteht. Der Fortschritt in der Fremdsprache ist da eher ein Nebeneffekt“, erklärt Adriana. Das habe ab und an ihre Motivation getrübt. „Ich lernte zwar, wie man am effektivsten englische Präpositionen in einen Lückentext einfügt oder politisch richtig debattiert, aber ob ich jetzt einen Streit in Englisch spontan schlichten könnte, denke ich nicht.“ Dasselbe Urteil fällt Adrianas Freundin Sarah, die in San Diego einen FCE-Sprachkurs besuchte: „Wenn man Englisch für den Alltag lernen will, sollte man keinen Diplom-Kurs machen. Da bringt ein ‚General English-Kurs‘ weit mehr.“
„Ganz ehrlich? Ich war stinksauer!“
Trotz Höhen und Tiefen zog Adriana den Sprachkurs durch und legte die CAE-Prüfungen ab. Wie sie sich danach gefühlt habe? „Ganz ehrlich? Ich war stinksauer.“ Der letzte Block sei das ‚Listening‘ gewesen, worin sie viele Punkte hätte sammeln müssen, um die Schwächen beim ‚Use of English‘ und ‚Reading‘ auszumerzen. So die Taktik. „Als dann aber das Gespräch abgespielt wurde, habe ich beim ersten Durchgang rein gar nichts verstanden. Ich merkte nicht mal, dass es sich um Englisch handelte. Die Akzente waren so stark.“
Zwei Monate später, Adriana war wieder zu Hause in der Schweiz, wurden die Resultate online gestellt. „Mein Herz klopfte wie wild. Nach dem Listening-Desaster rechnete ich mit dem Schlimmsten.“ Als sie dann das „passed“ mit 64 Prozent entdeckte, war sie überglücklich. „Ich ging mit der Absicht nach Kanada, das First zu machen. Stattdessen kam ich mit einem Advanced nach Hause.“ Die harte Arbeit und der Aufbruch in eine neue Welt haben sich in Adrianas Fall mehr als gelohnt.