Gepostet 16.05.2024, Othmar Bertolosi
Die Schweiz leidet seit Jahren unter einem Mangel an Heilpädagoginnen und Heilpädagogen. Zur Abhilfe erwägen die Kantone verschiedene Massnahmen und Schulen schaffen neue Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Die Zahlen, die die Luzerner Regierung Ende 2023 veröffentlichte, sind eindrücklich und alarmierend zugleich: Im Kanton fehlen bis zu 9 von 10 vollständig ausgebildete Förderlehrpersonen und Heilpädagoginnen. Luzern ist kein Einzelfall, sondern die Regel. In der Schweiz fehlt eine hohe Zahl an Fachkräften, die sich um jene Schüler kümmern, die mehr Aufmerksamkeit und Betreuung brauchen als die anderen Kinder und Jugendlichen im Schulzimmer.
In der Schweiz gibt es mehrere Möglichkeiten, eine Heilpädagogik-Ausbildung zu absolvieren. Ein Weg führt über das Heilpädagogik-Studium an Schweizer Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen. Zum anderen besteht die Möglichkeit, ausgewählte Inhalte einer Heilpädagogik-Ausbildung berufsbegleitend als Kurse zu absolvieren. Schliesslich kann, wer eine pflegerische oder sonstige pädagogische Fachausbildung hat, eine Weiterbildung im Bereich Heilpädagogik anschliessen bis hin zum Nachdiplomstudium. Die Ausbildungsmöglichkeiten sind also da, es stellt sich die Frage, wie mehr Männer und Frauen dazu gebracht werden könnten, sie zu nutzen. Die Ausbildungsinstitutionen haben sich dazu Gedanken gemacht und die Ausbildungsgänge angepasst.
Die Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik HfH beispielsweise bietet seit 2020 ihren Masterstudiengang in Schulischer Heilpädagogik flexibilisiert an. «Studierende können inhaltliche Schwerpunkte wählen und ihr Studium sowohl zeitlich als auch örtlich ihren Möglichkeiten und Bedarfen entsprechend planen», erklärt Prof. Dr. Claudia Ziehbrunner, Leiterin des Zentrums Ausbildung und Weiterbildung.
Neben attraktiven Arbeitsangeboten sind aber auch das berufliche Umfeld und die Arbeitsbedingungen wesentliche Faktoren, um dem Mangel an Heilpädagoginnen und Heilpädagogen entgegenzuwirken. «Auf der Ebene der Schulen können attraktive Arbeitsbedingungen sowie Entlastungen (im Pensum, mit Stellvertretungen usw.) Interessierte dabei unterstützen, die Ausbildung in Angriff zu nehmen», erklären Isabelle Egger Tresch und Thomas Müller. Unterstützung ist auch auf Ebene der Gemeinden und Kantone ein Thema und wird bereits umgesetzt. «Einzelne Kantone setzen Lohnanreize für Lehrpersonen, und Gemeinden bauen Unterstützungssysteme auf» erklärt Claudia Ziehbrunner. «Das sind zum Beispiel Klassenassistenzen, Senioren und Seniorinnen, Zivis und andere mehr.»
Neben all diesen Massnahmen gibt es ein besonders gewichtiges Argument, das dazu beitragen könnte, den Mangel zu mindern. Heilpädagogin und Heilpädagoge sind interessante und attraktive Berufsbilder, darin sind sich die Expertinnen und Experten einig. «Sie sind Fachpersonen für berufsübergreifende Zusammenarbeit und gestalten Bildungssysteme im heilpädagogischen Kontext mit», ist Bea Zumwald überzeugt. «Diese Vielfalt macht den Beruf interessant und abwechslungsreich.»
«Schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen teilen die Vision einer Schule, in der Kinder und Jugendliche gleichberechtigt ihren individuellen Bedarfen entsprechend lernen.»
Claudia Ziehbrunner
Dadurch, dass Heilpädagoginnen und Heilpädagogen sich für Kinder in besonderen Lebenssituationen und mit speziellen Bedürfnissen einsetzen, üben sie eine sehr sinnstiftende Tätigkeit aus, wie auch Isabelle Egger Tresch und Thomas Müller betonen. «Sie leisten einen wichtigen Beitrag, damit Kinder langfristig unabhängig von ihren individuellen Merkmalen und Fähigkeiten gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Das ist fordernd, aber auch sehr spannend und bereichernd.»