Micro-Credentials: Neue Chancen für Bildungsakteure

Gepostet 06.11.2024, Gastbeitrag Yolanda Buerdel

Micro-Credentials weisen Lernergebnisse kurzer Kurse oder Schulungen nach. Aber was genau sind Mikrozertifikate und warum eröffnen sie nicht nur Lernenden, sondern auch Arbeitgebenden und Bildungsinstitutionen neue Chancen?

Mikrozertifikate sind flexibel und fokussieren sich auf individuelle Bedürfnisse. Foto: Unsplash
Mikrozertifikate sind flexibel und fokussieren sich auf individuelle Bedürfnisse. Foto: Unsplash

In der sich schnell verändernden Welt der Bildung und des Arbeitsmarktes wächst die Nachfrage nach flexibleren Weiterbildungsmöglichkeiten, die besser auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Eine mögliche Lösung sind Micro-Credentials. Im Vergleich zu traditionellen Abschlüssen und Zertifikaten zeichnen sich diese Mikro-Lerneinheiten durch ihre Kürze und oft zeitliche Flexibilität aus. Dadurch sind sie mit einem Vollzeitjob oder dem Management einer Familie vereinbar. Ausserdem bieten sie den Lernenden die Möglichkeit, ihre Kompetenzen gezielt zu verbessern, indem sie häufig ein spezifisches Thema in den Fokus nehmen.  

«Mikroqualifikationen sind eine gute Option für Menschen, die sich schnell an neue Anforderungen im Job anpassen müssen, anstatt traditionelle Ausbildungen oder Zertifikate zu absolvieren», sagt Nadia Catenazzi, die an der Fachhochschule Südschweiz (SUPSI) zum Thema forscht. Ein gängiger Ansatz zur Umsetzung von Mikro-Nachweisen ist etwa die Verwendung digitaler Abzeichen, auch bekannt als digitale Badges: «Diese grafischen Symbole oder Logos liefern Informationen über die Lernerfahrung, wie beispielsweise die Bewertungskriterien oder die Institution, welche den Badge ausstellt», erklärt Catenazzi. Die Abzeichen werden oft online verliehen und können auf sozialen Medien, Online-Lebensläufen oder anderen digitalen Plattformen gezeigt werden, um Kompetenzen transparent und glaubwürdig zu präsentieren

«Mikroqualifikationen sind eine gute Option für Menschen, die sich schnell an neue Anforderungen im Job anpassen müssen, anstatt traditionelle Ausbildungen oder Zertifikate zu absolvieren.»
Nadia Catenazzi, Fachhochschule Südschweiz

Dreifachgewinn für die Bildungs- und Arbeitswelt

Sowohl im nationalen wie auch im internationalen Bildungsdiskurs gewinnt das Thema Micro-Credentials zunehmend an Bedeutung. Der Rat der Europäischen Union etwa hat eine Empfehlung dazu abgegeben, die Entwicklung, Umsetzung und Anerkennung von Mikrozertifikaten zu unterstützen. Der Schweizerische Verband für Weiterbildung (SVEB) hat daraufhin in einem Grundlagenbericht die aktuellen Entwicklungen untersucht sowie Konzeptionen und Rahmenbedingungen aufgezeigt. Die Ergebnisse legen dar, dass Micro-Credentials für Lernende, Arbeitgeber sowie Bildungsinstitutionen zahlreiche Möglichkeiten und Chancen bieten können. «Besonders Menschen ohne Berufsabschluss oder mit geringerer Qualifikation könnten dadurch ihre Kompetenzen gezielter fördern», sagt Helen Buchs vom SVEB und fügt an: «Die kleineren Lerneinheiten könnten für diese Personen leichter zu bewältigen sein als längere Aus- und Weiterbildungen. Zudem könnten Micro-Credentials ein Mittel sein, um informell erworbene Kompetenzen sichtbar zu machen.»

Arbeitgeber hingegen könnten durch ein möglichst einheitliches und transparentes System bei Mikrozertifikaten die Fähigkeiten von Bewerbenden einschätzen. Dies insbesondere bei Kompetenzen, die nicht durch eine formelle Ausbildung erworben wurden. Das könnte den Einstellungsprozess beschleunigen und die Arbeitgeber dabei unterstützen, schneller die beste Kandidatin auswählen zu können. Bildungseinrichtungen wiederum könnten Mikrozertifikate anbieten, die flexibel auf die Anforderungen des Marktes zugeschnitten sind und Lernangebote bereitstellen, die mehrere Zertifikate zu einem umfassenderen Abschluss kombinieren.  

«Besonders Menschen ohne Berufsabschluss oder mit geringerer Qualifikation könnten durch Micro-Credentials ihre Kompetenzen gezielter fördern.» 
Helen Buchs, Schweizerische Verband für Weiterbildung  

Verständnis schaffen, Richtlinien festlegen 

Trotz des grossen Potenzials von Mikrozertifikaten gibt es bis zu einer weitreichenden Einführung in der Schweiz noch einige Hürden, die genommen werden müssen. Aktuell gibt es keinen Konsens darüber, was ein Mikrodiplom genau ist und welche Bereiche es abdeckt. Einzelne Bildungsinstitutionen bieten in der Schweiz zwar bereits Lerneinheiten mit Micro-Credentials an oder haben entsprechende Vorhaben in Planung. «Um die koordinierte Entwicklung von Mikrodiplomen zu fördern, braucht es allerdings ein einheitliches Verständnis sowie gemeinsame Definitionen und Verfahren, möglicherweise in Übereinstimmung mit bestehenden Richtlinien und Standards», erklärt Nadia Catenazzi.  

In einem vom SVEB initiierten Dialog auf nationaler Ebene diskutieren daher aktuell Hochschulen, private Weiterbildungsanbieter, Berufsverbände und die Kantone darüber, inwiefern es ein gemeinsames Vorgehen der einzelnen Akteure braucht und wie ein solches den Nutzen und die Akzeptanz von Micro-Credentials erhöhen könnte.  

Dieser Artikel wurde uns freundlicherweise von Tamedia AG zur Verfügung gestellt.

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