Gepostet 20.10.2017, Martina Tresch
Alternativmedizin boomt, Naturheilpraktiker haben alle Hände voll zu tun. Eine Naturheilpraktikerin erzählt, was sie am Heilmittel Natur fasziniert und Hein Zalokar von der Heilpraktikerschule zeigt auf, welche Wege zu diesem Beruf führen.
Immer kürzer scheinen sie zu werden, und immer dunkler. Die Herbst- und Wintertage sind für manch einer kein Zuckerschlecken. Neben der getrübten Stimmung inmitten von Nebelschwaden tummeln sich wieder Grippe und Erkältung. Was dagegen tun? Eine, die genau weiss, wie man in solchen Fällen handelt, ist Christina Brunner. Naturheilpraktikerin. In diesen Tagen behandelt sie Grippe- und Rheumaerkrankungen sowie Schmerzen am Bewegungsapparat ebenso wie depressive Verstimmungen oder emotionale Themen. Und zwar ausschliesslich mit Natur. „Meiner Meinung nach ist es einer der faszinierendsten Berufe die es gibt. Ich bin seit Kindheit geprägt worden von meinen Eltern. Sie haben ‚Natur‘ vorgelebt“, erzählt Christina Brunner. Ihre Eltern hätten fast alle Erkrankungen, all die kleinen Wehwehchen stets mit Naturheilmitteln behandelt – und das mit Erfolg. „Wir Kinder gingen fast nie zum Hausarzt.“ Naturbelassene Nahrungsmittel, ein grosser Garten und das Gedankengut der Eltern zeigten ihr, wie wichtig die Natur und die Umwelt sind. So kam es, dass Christina Brunner als Zweitausbildung nach ihrer kaufmännischen Tätigkeit die Ausbildung zur Naturheilpraktikerin absolvierte.
Und ihrer Leidenschaft frönt sie mittlerweile seit 2002, seit 2003 hat sie ihre eigene Praxis. Neben ihrer Praxistätigkeit unterrichtet sie ausserdem auch angehende Naturheilpraktikerinnen und Naturheilpraktiker. Ausbildungsstätten gibt es in der Schweiz an die 20. Eine davon ist die Heilpraktikerschule Luzern. „Unsere Studierenden kommen aus allen Himmelsrichtungen. Die meisten sind aber Nicht-Akademiker und zirka 50 Prozent der Studierenden haben einen medizinischen Beruf erlernt“, sagt Hein Zalokar von der Schulleitung. Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um die Ausbildung zum Naturheilpraktiker zu absolvieren, gebe es fast keine. „Die Ausbildung ist für Quereinsteiger konzipiert.“ Wer aber einen medizinischen Beruf mitbringe, könne die Ausbildung verkürzen lassen. Für Studiengänge, die zum eidgenössischen Diplom führen, sind allerdings eine Matura oder eine abgeschlossene Berufslehre Pflicht. Schulintern, führt Hein Zalokar weiter aus, müssen die Absolventinnen und Absolventen mindestens 22 Jahre alt sein.
Fenchelsamen zur Beruhigung des Magens, Leinsamen für die Verdauungsregulierung. Schon in ihrer Vergangenheit hat Christina Brunner viele Erfahrungen mit Naturheilpraktiken gemacht. „Bei Halsweh hatte meine Mutter schon von ihrer Grossmutter das Rezept aus Salz, Kamille und Essig, welches wir Kinder als Gurgelgetränk bekamen. Wir haben es gehasst, aber es hat trotzdem immer geholfen und die Halsschmerzen gelindert“, erinnert sie sich. Ihr Wissen aus der Vergangenheit sowie ihre Ausbildung und diverse Weiterbildungen nutzt die Naturheilpraktikerin heute, um verschiedensten Patienten mit den unterschiedlichsten Krankheiten zu helfen. Seien es körperliche Erkrankungen wie Menstruations- oder Darmbeschwerden aber auch beispielsweise Kopfschmerzen. Ausserdem behandelt sie Menschen mit psychischen Problemen wie etwa Schlafstörungen, Angstzustände oder Depressionen. Diesen Fällen begegnet sie meistens mit mehreren Therapiearten. „Bei Knie- oder Rückenbeschwerden wende ich etwa Akupunktur und TuiNa an, bei Depression oder Burn-out ist Shiatsu geeignet“, erläutert die eidgenössisch diplomierte Naturheilpraktikerin TCM Akupunktur/TuiNa, die ausserdem eidgenössisch diplomierte Komplementärtherapeutin in der Methode Shiatsu ist. Bei allen jedoch schaue sie auf die Ernährung, die Lebensweise sowie die Genesungs- und Gesundheitskompetenz.
Wege, sich zu spezialisieren, gibt es für Naturheilpraktiker viele. An der Heilpraktikerschule Luzern zum Beispiel können angehende Naturheilpraktiker mit eidgenössischem Diplom die Fachrichtungen Ayurveda-Medizin, Traditionelle Chinesische Medizin oder Traditionelle Europäische Naturheilkunde gewählt werden. Andernorts wird auch Homöopathie als Fachrichtung angeboten. Die Ausbildung mit eidgenössischem Diplom dauert in der Regel zwischen drei bis vier Jahre. „Die Studierenden haben bei unserem modularen System die Wahl, wie schnell sie die Ausbildung machen möchten“, führt Hein Zalokar aus. Danach bräuchten sie aber mindestens zwei Jahre Berufspraxis, um an die Höhere Fachprüfung antreten zu können, hält er weiter fest. Bereits mit dem Schulabschluss können Absolventinnen und Absolventinnen selbstständig arbeiten und ihre Leistungen über die Krankenkassen abrechnen. Die Höhere Fachprüfung gibt es nämlich erst seit 2015 und seit 1. Januar 2017 erhalten angehende diplomierte Naturheilpraktiker, respektive Komplementärtherapeuten bis zu 10’500 Franken Bundesbeiträge.
„Jetzt ist ein sehr guter Zeitpunkt, eine Ausbildung zu starten, denn wer abschliesst, wird einen sehr attraktiven Markt vorfinden.“
Alternativmedizin boomt, Schulen gibt es reichlich. Besteht bereits ein Überfluss an Naturheilpraktikern in der Schweiz? Nach Angaben der Organisation der Arbeitswelt Alternativmedizin Schweiz sind derzeit zirka 2’500 Naturheilpraktiker und Naturheilpraktikerinnen in allen Kantonen tätig. „Wir haben aktuell sicher schon viele Naturheilpraktiker “, sagt Hein Zalokar. Zum einen geht er aber davon aus, dass die Naturheilkunde voll im Trend und daher die Nachfrage steigend ist. „Zudem laufen wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren auf die erste Pensionierungswelle der bestehenden Heilpraktiker zu. Also ist jetzt ein sehr guter Zeitpunkt, eine solche Ausbildung zu starten, denn wer abschliesst, wird einen sehr attraktiven Markt vorfinden.“ An der Heilpraktikerschule Luzern schliessen pro Jahr zwischen 30 und 40 Naturheilpraktiker ihre Ausbildung ab – Tendenz steigend. Naturheilpraktiker wie Christina Brunner auf der anderen Seite haben alle Hände voll zu tun. Sie berichtet, dass immer mehr Patienten zuerst auf Naturheilkunde setzen würden, „sei es auch nur für eine objektive Beratung“. 85 Prozent ihrer Patienten sind übrigens weiblich. Skeptiker gebe es auch heute noch. „Ich werde aber ernst genommen von den Menschen, die mit mir persönlichen Kontakt haben“, sagt die Naturheilpraktikerin.
Neben der Ausbildung zum eidgenössisch diplomierten Naturheilpraktiker gibt es seit 2015 auch die Ausbildung zum eidgenössisch diplomierten Komplementärtherapeuten. Während Naturheilpraktiker die Fachrichtungen Ayurveda, Traditionelle Chinesische Medizin, Traditionelle Europäische Medizin und Homöopathie als Fachrichtung wählen können, haben Komplementärtherapeuten die Möglichkeit, die Methoden Ayurveda, Caniosacral, Kinesiologie, Shiatsu, Yoga, Atemtherapie, Akupressur und noch viele weitere zu wählen. Gemäss der Organisation der Arbeitswelt – Komplementärtherapie behandelt ein Komplementärtherapeut Menschen unter anderem bei somatischen und psychosomatischen Beschwerden, bei Befindlichkeitsstörungen, bei medizinisch abgeklärten funktionellen Gesundheitsstörungen oder diffusen Beschwerden, bei medizinisch abgeklärten Krankheiten und Behinderungen, aber auch nach Unfällen und medizinischen Eingriffen. Naturheilpraktiker andererseits behandeln laut der Organisation der Arbeitswelt Alternativmedizin Schweiz unter anderem Menschen mit akuten oder chronischen Krankheiten, Gesundheits- und Befindlichkeitsstörungen, mit somatischen oder psychosomatischen Beschwerden, mit konventionellmedizinisch abgeklärten Behinderungen oder Menschen mit funktionellen Erkrankungen. Sie werden aber auch zur Rehabilitation nach Erkrankungen, Unfällen oder Operationen oder zur Entwicklungsförderung bei Kindern eingesetzt.