Gepostet 16.02.2021, Christoph Meier
Fast alle Unternehmen haben Mitarbeitende, deren Motivation plötzlich aus scheinbar unerklärlichen Gründen abnimmt und die sich distanzieren. An Ihnen als Führungskraft ist es, das zu ändern. Wie Sie es machen? Mit diesen fünf Tipps eines erfahrenen Personalexperten.
Stellen Sie sich den Geschäftsführer eines aufstrebenden Unternehmens vor, nennen wir ihn Herr Hampe. Momentan hat es Herr Hampe mit seinem Unternehmen, auch Corona bedingt, alles andere als leicht. Und das trotz der enorm guten Verkaufszahlen. Grund für seinen Unmut sind ein paar seiner Angestellten, die sich immer unmotivierter zeigen und sich kaum noch mit Leidenschaft in ihren Job reinhängen, so wie früher. Natürlich auch durch die momentane Situation des Homeoffice. Das Vertrauen ist belastet, und obwohl Herr Hampe scheinbar alles versucht, um mit seinen Mitarbeitenden zu kommunizieren und die Motivation zurückzuholen, ändert sich nichts.
Nicht einmal die spontane Lohnerhöhung am Ende des Jahres – und darüber hätten sich die Mitarbeitenden doch freuen müssen – hat nennenswert funktioniert. Für einen Moment war alles o. k., dann war wieder alles wie vorher. Immer mehr sieht Herr Hampe deshalb seine Ziele in Gefahr und malt sich das mit Abstand schlimmste Szenario aus. Nämlich, dass die Kunden etwas mitbekommen und sich von seinem Unternehmen abwenden.
Doch er hat keine Ideen mehr, was er tun könnte, um ein solches Szenario zu wenden und um die Situation zu drehen und seine Leute wieder für das Unternehmen und ihre Arbeit zu begeistern. Herr Hampe tappt im Dunkeln und braucht Hilfe von aussen. So kommen wir beide zusammen.
«Ich weiss nicht mehr, was ich noch tun soll»
Das ist das Résumé, welches Herr Hampe nach seinen Ausführungen zieht, während ich kurz nachdenke und erkenne, was in seinem Unternehmen tatsächlich schiefläuft und woran er bis dato noch nicht einmal einen Gedanken verschwendet hat: Es hat mit Herrn Hampe selbst zu tun.
Denn durch den Stress, den Mehraufwand und die Distanzhaltung der letzten Monate hat sich Herr Hampe immer weiter von seinen Mitarbeitenden entfernt und vieles oberflächlich entschieden. Er hat manche mit schneller Hand befördert, andere nicht. Es lief super und die Zahlen stimmten. Doch ein Teil seines Teams sah das anders und entfernte sich ebenfalls. Seine Versuche, es nunmehr mit netten Gesten wieder anzuheizen, scheiterten, weil es dem Team auf mehr als nur diese Gesten ankommt.
So gebe ich Herrn Hampe eine Handvoll Tipps mit, um die Motivation seiner Mitarbeitenden zu steigern.
Wer Mitarbeiter – die sowohl empfindlichste als auch anspruchsvollste Ressource eines Unternehmens – führen möchte, braucht ein Gespür für Menschen. Ohne dieses Gespür sind Sie in derselben Situation wie Herr Hampe. Sie versuchen vieles, was intuitiv korrekt erscheint, können die Erwartungen und Bedürfnisse Ihrer Mitarbeitenden aber weder identifizieren noch erfüllen. Diese machen kurzen Prozess. Wenn sie sich distanzieren oder auch direkt das Unternehmen verlassen, dann oft aus dem Grund, dass sie sich nicht verstanden fühlen oder weil die Chemie mit dem Chef nicht stimmt.
Der Punkt ist, dass Sie als Führungskraft auf beide Ursachen recht einfach Einfluss nehmen können. Wenn Herr Hampe nicht mehr versucht, seine Leute mit kurzen Motivationsreden und netten Gesten abzuspeisen, sondern sich mit ihnen auseinandersetzt und sie wertschätzt, wird er etwas bewegen und sie motivieren können. Denn er weiss, wo er konkret anzusetzen hat.
Die meisten Unternehmen befördern jene Mitarbeitenden, die in ihrer aktuellen Position durch hervorragende Leistungen auffallen. So auch das Unternehmen von Herrn Hampe. Doch sein vorschneller Schritt ist mit Vorsicht zu geniessen. Menschen sind dann gut in ihrem Job, wenn sie Spass an ihm haben. Wenn sie sich um Bereiche kümmern, in denen sie sich vom Wesen her entfalten können und in denen sie sich wunderbar auskennen. Befördert zu werden, bedeutet immer, seine Komfortzone verlassen zu müssen. Die einen Menschen kommen damit hervorragend klar, bei anderen wechselt die Freude nach kurzer Zeit zum Frust. Weil sie merken, dass es falsch war, ihre Komfortzone zu verlassen und in die nächsthöhere Ebene zu wechseln.
Herr Hampe hat einen seiner besten Sales-Leute vor Kurzem zum Teamleiter befördert. Er dachte sich, dass er die ausserordentlichen Leistungen des Verkäufers dadurch loben könnte. Und der Verkäufer nahm das Angebot freudestrahlend an. Dann aber wurde ihm klar, dass er nicht mehr verkauft, sondern ein Team zu führen hat. Ihm wurde klar, dass das nichts für ihn ist.
Wenn Sie Ihre Mitarbeitenden befördern möchten, sprechen Sie ausführlich mit ihnen darüber. Und – aufbauend auf dem ersten Tipp – lernen Sie sie besser kennen, um ihre wahren Potenziale aufzudecken und sie in Positionen zu befördern, an denen sie ebenso Freude wie an ihrer momentanen haben.
Nicht nur Sie müssen Ihre Mitarbeitenden kennen, sondern Ihre Mitarbeitenden müssen sich auch selbst kennen. Gehen Sie nicht davon aus, dass sich jeder selbst kennt und sich seiner Stärken sowie Schwächen bewusst ist. Vielen fällt es schwer, sich selber realistisch und kritisch zu betrachten und zu beurteilen. Deshalb müssen Sie Ihre Mitarbeitenden dazu anhalten, sich selber zu reflektieren und sich proaktiv wie auch effizient weiterzuentwickeln. Sprechen Sie viel mit ihnen und regen Sie sie stets zum Hinterfragen an. «Beobachten» Sie sie ausserdem, indem Sie Ziele vereinbaren und die Performance der einzelnen Personen messen. Falsch ist, sich zurückzuziehen und erst bei Problemen zu reagieren. Denken Sie voraus und antizipieren Sie Probleme, ehe sie entstehen. Zudem wachsen Ihre Mitarbeitenden an sich selbst und werden effizienter in dem, was sie tun. Dadurch lösen sich manche Probleme von allein.
Das «Ich zahle meinen Leuten einfach mehr Lohn und dann passt das»-Denken ist weit verbreitet. Aber es ist kein Problemlöser, sondern wirkt eher wie ein Medikament: Man nimmt es ein, und die Symptome der Krankheit verschwinden oder werden gelindert. Trotzdem fühlt man sich schwach und nicht leistungsfähig, denn die Ursache, der Grund für die Krankheit ist immer noch da. Mittlerweile existieren viele Studien, die verdeutlichen, dass es Menschen im Job kaum auf den Lohn oder die Benefits ankommt, sondern vielmehr auf qualitative Faktoren. Ganz besonders zählen die Führungskraft und die Entwicklungschancen.
Versuchen Sie als Chef also nicht, die Sorgen Ihrer Mitarbeitenden – so wie Herr Hampe – einfach mit einem «Zückerli» in Form von mehr Lohn oder Benefits abzuspeisen, sondern widmen Sie sich den echten Problemen und führen Sie die Leute optimal. Um optimal führen zu können, müssen Sie stets präsent, aufmerksam und fit sein. Sie müssen für Ihre Position brennen, damit Ihre Leidenschaft auf die Mitarbeitenden überschwappt. Seien Sie bei ihnen, unterstützen Sie sie, seien Sie sich für nichts zu schade und haben Sie immer ein offenes Ohr. Auch in Stresssituationen.
Sie sitzen vor einem Steuerpult mit vielen Motivationsknöpfen. Und nun ist es Ihre Aufgabe, für all Ihre Leute den entsprechend korrekten Knopf zu drücken. Das hört sich leichter an, als es ist. Es ist anspruchsvoll, selbst mit den schon erwähnten Tipps. Die Erfahrungen zeigen, dass insbesondere starke Altersunterschiede und unterschiedliche Charakteren zwischen den Mitarbeitenden und der Führungskraft das Einfühlen in die jeweils andere Partei erschweren.
Deshalb lautet der letzte Tipp: Nehmen Sie gegenüber den entsprechenden Mitarbeitenden eine vollkommen objektive Aussensicht ein, hören Sie auf Ihr Bauchgefühl und holen Sie sich – wenn es unvermeidbar hakt – Perspektiven von aussen, bestenfalls von einem erfahrenen Personalcoach, hinzu. Online-Assessments sind hier ein wesentliches Stichwort. Dabei handelt es sich um eignungsdiagnostische Testverfahren zur Ermittlung berufsrelevanter Personenmerkmale. Spätestens durch Online-Assessments werden Sie den Durchblick erlangen, welchen Sie brauchen, um das Motivationsproblem zu lösen.
Und dabei ist eines sicher: Entweder sind am Ende alle zufrieden oder keiner ist es. Es herrscht immer eine Win-win- oder eine Loose-loose-Situation. Und so negativ sich die zweite auch anhört, sie ist für Ihr Unternehmen ebenso positiv wie die erste.
Christoph Meier, erfahrener Personalentwicklungsexperte, ist seit 2008 Inhaber und Experte der Outvision GmbH St. Gallen, eines der führenden Schweizer Anbieter für Online-Assessments zur Rekrutierung, Beförderung, Talentsuche, Führungskräfte- und Team-Entwicklung.