Gepostet 13.05.2016, Myriam Arnold
Wer als Kauffrau beziehungsweise Kaufmann in der öffentlichen Verwaltung eine nicht-akademische Weiterbildung sucht, kann bei einer Gemeindefachschule fündig werden.
Wie in anderen Berufsgattungen und Branchen kommt bei den kaufmännischen Angestellten in der öffentlichen Verwaltung im Laufe der Zeit der Wunsch auf, sich weiterzuentwickeln. Neue Fähigkeiten und Kompetenzen möchten erworben werden – nicht zwingend auf Hochschulstufe. Hier kommen die Gemeindefachschulen in St. Gallen, Bern und Zürich ins Spiel. Wir haben mit Ralf Margreiter, Verantwortlicher der Gemeindefachschule an der KV Zürich Business School, gesprochen.
Bildung-Schweiz.ch: Im vergangenen März hat die Gemeindefachschule der KV Zürich Business School ihren Betrieb aufgenommen. Wie sind Ihre Erfahrungen bis jetzt?
Ralf Margreiter*: Wir machen mit unseren beiden Pilotklassen sehr positive Erfahrungen: 32 Studierende haben die Gemeindefachschule in Angriff genommen und den Einstieg gepackt. Unser Dozententeam setzt sich aus erfahrenen Praktikern und Praktikerinnen zusammen, die dem Berufsnachwuchs motiviert ihr Wissen und Können weitervermitteln.
Welche Gründe für die Initiierung der Gemeindefachschule standen im Vordergrund?
Die Gemeindefachschule schliesst die zuvor bestehende Lücke im Weiterbildungssystem öffentliche Verwaltung im Kanton Zürich. Nach Abschluss der Verwaltungslehre gab es bislang keine breit aufgestellte, fundierte Weiterbildung mit anerkanntem Abschluss. Wer als Nicht-Akademiker weiterkommen wollte, musste viele Jahre auf die Zulassung zur Weiterbildung auf Fachhochschulstufe warten.
Nicht gerade am Puls der Zeit…
Gar nicht. KV-Absolventinnen und -Absolventen sind sehr weiterbildungsorientiert, rund 90 bis 95% möchten gemäss Umfrageergebnisse des Kaufmännischen Verbands Schweiz (KFMV) nach der Lehre einen nächsten Schritt in Angriff nehmen. Die Gemeindefachschule bietet Berufsleuten im Kanton Zürich die Chance für eine Weiterentwicklung innerhalb der Branche, ein Sprungbrett für den nächsten Laufbahnschritt.
„Die Gemeindefachschule umfasst zahlreiche Themen, Lernziele und Kompetenzen, die übergreifend sind.“
Sind KV-Lehrabgängerinnen und -abgänger die Hauptzielgruppe der Gemeindefachschule?
Nein. Die Gemeindefachschule ermöglicht zwar einen direkten Anschluss an die Verwaltungslehre. Aber auch junge Verwaltungsmitarbeitende mit mehreren Jahren Berufserfahrung sind hungrig auf neue Herausforderungen, spannende Aufgaben, mehr Selbstständigkeit – doch nicht alle suchen Führungs- und Managementverantwortung. Hier eröffnet die Gemeindefachschule auch dank kantonal anerkanntem Fachausweis ideale Perspektiven.
Sie sprechen es an: Nach erfolgreichem Abschluss der Gemeindefachschule der KV Zürich Business School erhält man den Titel „Gemeindefachleute mit kantonalem Fachausweis“. Ist die Schule auch eine Option für Bündner, Zuger oder Luzerner?
Die Gemeindefachschule umfasst zahlreiche Themen, Lernziele und Kompetenzen, die übergreifend sind. In vielen Bereichen bestehen zwar kantonal unterschiedliche gesetzliche Grundlagen, sie basieren aber oft auf gemeinsamen Grundzügen. Von der Zweckbestimmung der Trägerschaft her richtet sich der Bildungsgang an der KV Zürich Business School aber naturgemäss auf die Zürcher Verhältnisse und Gesetze aus.
Bräuchte demnach nicht jeder Kanton eine eigene Gemeindefachschule in Anbetracht des Schweizer Föderalismus‘ und der deshalb herrschenden Unterschiede?
Eigentlich: ja. Vielleicht nicht in jedem Kanton, aber mindestens regional. Heute gibt es Gemeindefachschulen für die Ostschweiz in St. Gallen, für den Kanton Bern und seit diesem Jahr auch im Kanton Zürich. In anderen Kantonen der Deutschschweiz sind entsprechende Weiterbildungen an den Fachhochschulen angesiedelt.
„Für die öffentliche Verwaltung fehlte sehr lange ein gesamtschweizerischer Abschluss.“
Bedient die Gemeindefachschule – dem Namen entsprechend – lediglich die Gemeinde-Ebene?
Die Handlungskompetenzen, die der eidgenössische Fachausweis voraussetzt, sind vergleichsweise abstrakt formuliert. In der Weiterbildung müssen sie gewissermassen „am konkreten Objekt“ geschult und erarbeitet werden. Unsere Gemeindefachschule tut das, dem Namen entsprechend, primär für die Themen und Bedürfnisse der Zürcher Gemeindeverwaltungen. Viele Themen sind allerdings ebenenübergreifend: die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts in ihrer Anwendung, die Grundlagen des Datenschutzes, des öffentlichen Beschaffungswesens usw. – für Selbst-, Sozial- und Methodenkompetenzen, die eine wichtige Rolle spielen, gilt das ohnehin.
Gibt es eine konkrete Weiterbildung für alle drei Ebenen der öffentlichen Hand vereint, also für Gemeinde, Kanton und Bund?
Für die öffentliche Verwaltung fehlte sehr lange ein gesamtschweizerischer Abschluss. Mittlerweile existiert eine eidgenössische Berufsprüfung über alle drei Ebenen hinweg, sie findet 2018 zum ersten Mal statt. Die Gemeindefachschule umfasst die hierfür nötigen Zulassungsprüfungen. Der eidgenössisch anerkannte Fachausweis „Fachleute öffentliche Verwaltung“ zertifiziert jene Kompetenzen, die über alle drei Ebenen hinweg für qualifizierte Arbeit von Bedeutung sind.
Wie gefragt ist der nächste Lehrgang der Gemeindefachschule, der am 10. März 2017 startet?
Wir haben bereits Interessenten für den Bildungsgang 2017. Anmeldungen erwarten wir erfahrungsgemäss erst ab Herbst 2016. Wir sind selbst sehr gespannt, ob auch der nächste Lehrgang wieder mit zwei Klassen geführt werden kann. Ich bin zuversichtlich, auch dank unserer Verankerung in der Branche: Träger der Gemeindefachschule sind die Zürcher Gemeindeschreiber.
Das Institut für Verwaltungs-Management der ZHAW in Winterthur berät, forscht und lehrt zu Themen des Public Managements. Das Ausbildungsangebot im öffentlichen Sektor erstreckt sich auf den Stufen Bachelor und Master. Es ermöglicht die zielgerichtete Aneignung vertiefter Fach- und Methodenkompetenzen. Zudem setzt sich das Institut zusammen mit verschiedenen Berufsverbänden für die Weiterbildung ein.
*Ralf Margreiter ist seit 2013 Leiter Bildungsgänge öffentliche Verwaltung bei der KV Zürich Business School Weiterbildung. Zuvor war er zwischen 2005 und 2012 beim Kaufmännischen Verband Schweiz im Bereich Bildung und Laufbahn tätig. Ralf Margreiter ist zudem Bildungspolitiker im Zürcher Kantonsrat und ehemaliger Präsident der Kommission für Bildung und Kultur.