Gepostet 10.05.2016, Gabriel Aeschbacher
Studierende sind oft überfordert. Wer denkt, das Leben eines Studierenden sei ein bisschen Party und ein bisschen Studium, täuscht sich gewaltig. Sowohl Beratungsstellen als auch Psychologen sind alarmiert - und gefordert.
Maximilian* ist 19 und am Ende. Er, der eine weiterführende Schule besucht und in etwas mehr als einem Jahr mit einem Studium an einer Fachhochschule liebäugelt, kann nicht mehr. „Ich bin momentan in drei Fächern ungenügend, was mich enorm belastet“, lässt der gestresste Studierende verlauten. Ihm geht es so wie ganz vielen, wie neulich auch der „Tages Anzeiger“ erläutert hat. Freilich sind die Gründe, die Notfallnummer 147 anzurufen, oft nicht schulischer Natur. Das Phänomen aber, wonach Jugendliche mit ihrer Lebenswelt zunehmend überfordert sind, ist nicht von der Hand zu weisen.
André*, auch er Studierender, ist am Anschlag, weil er zu viel will. An der Universität St. Gallen eingeschrieben, ist er einem brutalen Verdrängungskampf ausgesetzt. Obwohl eigentlich komplett ausgelastet, nutzt er die Abende und – wenn möglich – auch die Semesterferien dazu, ein wenig zu arbeiten. „Die Abhängigkeit von meinen Eltern macht mich zwar nicht krank, ich möchte jedoch auch ein bisschen eigenen finanziellen Spielraum haben“, sagt der 23-Jährige. Ob sich seine hehren Absichten mit dem Studium vereinbaren lassen, wird sich schon bald zeigen, denn die Semesterprüfungen werden abschliessend darüber entscheiden, ob sich der Tanz auf zwei Hochzeiten ausbezahlen wird.
„Arbeit und Studium lassen sich nicht immer miteinander vereinbaren.“
Natürlich sind Studierende auch Digital Natives, eine Generation also, die mit den modernen Technologien aufgewachsen ist. Zu viel des Guten manchmal? „Ja“, sagt Maximilian ein wenig verlegen. Das Handy läge immer in Griffnähe und manchmal sei es in der Tat schwierig, fokussiert und konzentriert zu arbeiten. Michael Freudiger (46) von der KrisenKompetenz GmbH arbeitet unter anderem als Notfallpsychologe und weiss, wo der Schuh drückt. „Viele junge Erwachsene setzen sich zu sehr unter Druck, weil sie den Erwartungen an vielen Fronten – Gesellschaft oder Eltern seien als Stichworte genannt – genügen möchten.“ Dies gelinge nicht immer und könne bisweilen überfordern, sagt der Experte.
„Die Erwartungshaltung an Studierende ist heutzutage sehr hoch.“
Warum etliche Studierende ihr Studium abbrechen, hat vielfältige Gründe. Zum einen lockt die Berufswelt, wo in der Vergangenheit Studierende ohne Abschluss mit lukrativen Angeboten geködert worden sind – zum Beispiel von der Informatik-Branche. Aber auch zwischenmenschliche Aspekte, wie die Vereinsamung an einer Massenuniversität, können eine Rolle spielen. Und natürlich gibt es auch diejenige Gruppe, die von einem Studium schlicht überfordert ist, wie die „FAZ“ zu berichten weiss. Ja, und dann gibt es Studierende, die schlicht nicht wissen, was sie wo studieren wollen und einfach mal loslegen. Das sind potenziell diejenigen, die ein Studium eher abbrechen als andere. Ein Studienwahlcheck kann hier einfach Abhilfe schaffen. Wer weiss, wo seine Fähigkeiten und Neigungen liegen, kann zielgerichteter an die Arbeit gehen. Dessen sind sich auch Maximilian und André bewusst. Beide sehen sich grundsätzlich am richtigen Ort, haben den Dreh aber noch nicht gefunden, wie sie sich konzentrierter an ihre universitären Pflichtarbeiten machen könnten. Und Alternativen zur derzeitigen Ausbildung haben die beiden nicht. Unisono sagen sie: „Wir schaffen das schon irgendwie!“
*Namen der Redaktion bekannt