Gepostet 31.03.2017, Elisa Hipp
Jeder kennt sie. Die Menschen, die alles hinbekommen. Die ein Unternehmen leiten, in zehn OKs sind und nebenbei mit ihren fünf Kindern jeden Sonntag einen Familienausflug machen. Okay, leicht übertrieben. Aber es gibt Menschen, die sehr viel hinbekommen. Und sie sind vor allem in einem besonders gut: in Zeitmanagement. Das kann man auch lernen. Bildung Schweiz hat einen „Profi” gebeten, uns einen Einblick in sein Zeitmanagement zu geben.
Dieser Profi ist Beat Jörg, Landammann des Kantons Uri. Der 58-Jährige war zwölf Jahre Gemeindepräsident der Berggemeinde Gurtnellen. Seit 2012 ist er Regierungsrat, seit 2016 steht er diesem vor. Gelernt hat Beat Jörg Oberstufenlehrer, zudem ist er Oberstleutnant der Schweizer Armee. Er ist Mitglied in OKs von Sportveranstaltungen und Musikevents und treibt in seiner Freizeit sehr gerne Ausdauersport. Beat Jörg erzählt, wie für ihn Zeitmanagement funktioniert, warum ihm viele Aufgaben zu haben Spass macht und wie er seine Prioritäten setzt.
Beat Jörg, Sie sind Landammann, als Präsident in verschiedenen Komitees aktiv, ehrenamtlich tätig in verschiedenen OK, und gleichzeitig machen Sie privat sehr gerne Sport. Was reizt Sie an dieser Mischung? Und wäre es Ihnen ohne das alles langweilig?
Beat Jörg: „Langweilig wird mir eigentlich nie. Ich kann mich auch ganz gut selber beschäftigen. Wenn ich aber angefragt werde, eine neue Aufgabe zu übernehmen, und diese Aufgabe interessiert mich, dann sage ich nicht so leicht Nein. Das führt dann tatsächlich zu einer breiten Mischung. Das Besondere daran ist für mich die Abwechslung, nicht nur thematisch, sondern vor allem menschlich. Dank verschiedenartigen Aufgaben kann ich mit vielen unterschiedlichen Partnern zusammenarbeiten, was sehr bereichernd ist.”
Hören Sie die Frage oft: „Wie bringst du das alles unter einen Hut?“
„In meinem näheren Umfeld höre ich diese Frage nie. Wer mich kennt, der weiss, dass ich immer viele Dinge gleichzeitig mache. Schon früher war ich ja in verschiedenen Funktionen unterwegs: als Gemeindepräsident, Lehrer oder Vereinsmitglied. Das gehört anscheinend zu mir.”
„Meine Mitarbeitenden sind sehr zuverlässig. An sie kann ich viele Dinge mit gutem Gewissen delegieren”
Bleibt dabei auch etwas auf der Strecke, das Sie gerne unterbringen würden?
„Ich vermisse eigentlich nichts. Ich mache jene Dinge, die ich gern tue.”
Splitten wir die Frage „Wie bringst du das alles unter einen Hut?“ einmal auf. Haben Sie einen genauen Plan, nach dem Sie arbeiten?
„Einen genauen Plan habe ich heute nicht mehr, dafür aber eine gute Intuition, was und wie alles gehen kann und soll. Diese Intuition ist vermutlich das Resultat von jahrelanger Erfahrung und von meiner soliden militärischen Führungsausbildung. Ausserdem habe ich seit Jahren ein sehr gutes berufliches Umfeld mit zuverlässigen Mitarbeitenden. An sie kann ich viele Dinge mit gutem Gewissen delegieren.”
Will jemand Zeitmanagement lernen, hört er als eins der ersten wichtigen Regeln: Lernen Sie, Prioritäten zu setzen! Wie setzen Sie Ihre Prioritäten?
„Zuoberst stehen für mich jene Aufgaben, von denen die Arbeit und der Erfolg anderer Menschen abhängen.”
Was liegt trotz allem immer noch drin, auch wenn „die Hütte brennt“?
„Was immer drin liegen muss, ist genügend Zeit, um mit anderen Menschen zu reden, beispielsweise in einem informellen Gespräch im Nachgang zu einem Meeting. Ich beende höchst ungern ein gemütliches Gespräch auf abrupte Weise, weil der Terminplan drängt. Was ebenfalls immer drin liegen muss, ist der Sport. Wenn es anders nicht geht, halt zu Randzeiten. So schaue ich „10vor10“ am späten Abend oft auf dem Hometrainer, dem Laufband oder auf dem Rudergerät.”
„Vor wichtigen Phasen konzentriere ich mich in einer Art eines mentalen Vorspiels ganz auf das Kommende”
Wie bleiben Sie in der Ruhe, konzentriert, wenn die oben schon genannte „Hütte brennt“?
„Glücklicherweise braucht es ganz generell sehr viel, um mich aus der Ruhe zu bringen. Ausserdem habe ich mir ein kleines Ritual angeeignet: Vor wichtigen Anlässen und intensiven Phasen konzentriere ich mich in der Art eines mentalen Vorspiels ganz auf das Kommende. Das habe ich vom Sport gelernt, wo man sich vor einem Rennen noch einmal voll für die Höchstleistung konzentriert.”
Haben Sie sich speziell zum Thema Zeitmanagement weitergebildet?
„In der Schweizer Armee habe ich die Führungsausbildung durchlaufen, und in meiner früheren Tätigkeit als Lehrer war erfolgreiches Zeitmanagement eine permanent wichtige Aufgabe, um in einer 45-Minuten-Lektion das gesetzte Ziel zu erreichen. Auf diese Art habe ich mir ein gutes Gefühl angeeignet, für welche Art von Aufgabe ich wieviel Zeit brauche.”
„Am Ende habe ich zeitlichen Druck ganz gern; er ist für mich ein Ansporn noch besser zu werden”
Lernt man, Ihrer Meinung nach, schnell und effizient zu arbeiten?
„Unter grossem Zeitdruck mehrere Themen zu behandeln und viele Aufgaben erfolgreich erledigen zu können, ist wahrscheinlich auch eine Frage des Talents. Dieses Talent kann sich im richtigen Umfeld entfalten. In vorausschauender Weise leite ich viele Dinge natürlich möglichst frühzeitig in die Wege; trotzdem habe ich zeitlichen Druck am Ende ganz gern; er ist für mich ein Ansporn, noch besser zu werden und mich zu fokussieren.”
Gibt es auch Tage, an denen Sie das Gefühl haben, nichts geht voran, jetzt schmeisse ich drei meiner Jobs hin?
„Dieses Gefühl habe ich nie. Der Vorteil an einer breiten Mischung verschiedenartiger Aufgaben ist ja, dass irgendwo immer etwas vorangeht.”
Wie geben Sie Zeitmanagement/Prioritätensetzung an Ihre Mitarbeitenden weiter?
„Da kann ich gar nicht so viel weitergeben. Viele meiner Mitarbeitenden sind im Zeitmanagement sogar besser ausgebildet als ich. Vielleicht habe ich aufgrund meiner Erfahrung einfach eine sehr gute Intuition. Aber diese ist schwer zu vermitteln.”
Herzlichen Dank für das Gespräch, Beat Jörg!