Gepostet 07.02.2017, Martina Tresch
„Ich möchte einmal Dentalhygienikerin werden“. – Diese Aussage wird leider viel zu selten gemacht. Das Resultat: Dentalhygienikerinnen und Dentalhygieniker sind gesuchte Leute auf dem Arbeitsmarkt.
Viele kennen ihn, kaum jemand mag ihn: den Besuch bei der Dentalhygienikerin. Der Zahnarztstuhl an sich ist ja bequem. Doch wenn sich der Stuhl hebt und die Rückenlehne sich senkt, wird klar, dass es gleich ungemütlicher wird. Die Dentalhygienikerin wirft einen ersten Blick auf die Beisser. Sie lächelt und beginnt ein nettes Gespräch. Dann zückt sie den Zahnsteinkratzer und beginnt mit dem hakenförmigen, spitzigen Instrument, zwischen den Zähnen zu kratzen.
Dentalhygienikerinnen gibt es nicht sehr viele auf dem Markt. Das weiss auch Thomas von Wyttenbach. Er führt eine Zahnarztpraxis in Altdorf, Kanton Uri, und bildet Dentalhygienikerinnen aus. Momentan sind zwei Spezialisten für Dentalhygiene bei ihm tätig – beide in Teilzeit. „Es war nur schon schwierig, Leute zu finden, die bei mir die Ausbildung machen wollen“, erklärt er. Bereits vor fünf Jahren wollte er einen Ausbildungsplatz anbieten – erst vor drei Jahren fand sich eine Auszubildende. Woran liegt das? „Die geografische Lage spielt sicher eine Rolle.“ So sei es in ländlichen Regionen doppelt so schwierig, Leute zu finden als in der Stadt. Wer jedoch den Titel dipl. Dentalhygienikerin HF trägt, wird wohl nie wieder Probleme haben, eine Stelle zu finden. Davon ist Thomas von Wyttenbach überzeugt: „Dentalhygienikerinnen sind gesuchte Leute. Ich habe schon gehört, dass in Zürich enorm hohe Löhne bezahlt werden – bis 10’000 Franken pro Monat.“
Sie kratzt unermüdlich, strahlt dabei aber eine schier unglaubliche Gelassenheit aus. Der Blick der Patientin wandert zur Decke, dann zum Namensschild der Dentalhygienikerin und zum Instrument, das sie locker in der Hand hält. Der Stuhl bewegt sich, die Lehne geht hoch. „Spülen“, sagt sie freundlich.
„Jährlich werden in der Schweiz rund 70 Dentalhygienikerinnen ausgebildet. Mehr Ausbildungsplätze gibt es leider nicht, obwohl der Bedarf sicherlich vorhanden ist.“
Gerade einmal 2500 Dentalhygienikerinnen zählt die Schweiz – etwa 85 Prozent gehören dem Berufsverband der Dentalhygienikerinnen an. Eine, die weiss, weshalb diese Berufsleute so rar sind, ist Conny Schwiete, die Zentralpräsidentin des Verbands Swiss Dental Hygienists: „Jährlich werden in der Schweiz rund 70 Dentalhygienikerinnen ausgebildet. Mehr Ausbildungsplätze gibt es leider nicht, obwohl der Bedarf sicherlich vorhanden ist.“ Rund 95 Prozent aller Dentalhygienikerinnen seien bei einem oder mehreren Zahnärzten angestellt, führt die Zentralpräsidentin weiter aus. Schon öfters habe der Verband dieses Problem bei der Schweizerischen Zahnärztegesellschaft (SSO) thematisiert: „Die SSO als Arbeitgeberverband sollte eine umfassende Bedarfsanalyse erstellen, die belegt, dass von den Kantonen mehr Ausbildungsplätze für Dentalhygienikerinnen geschaffen werden sollten“, so Conny Schwiete.
Nach dem Spülen geht die Zahnreinigung weiter. Der Kratzer weicht einem geräuschvolleren Instrument. Bei diesem hohen, surrenden Geräusch sträuben sich die Nackenhaare. Und als wäre das nicht genug, kommt auch noch dieser Speichelsauger dazu. Die Ruhe, die die Dentalhygienikerin ausstrahlt, ist ungebrochen.
Seinen Ursprung hat der Beruf Dentalhygieniker in den USA. Und weil es lange nur in Übersee möglich war, sich dazu ausbilden zu lassen, waren in vielen Schweizer Zahnarztpraxen vor allem Amerikanerinnen tätig. Seit 1973 hat die Schweiz eigene Ausbildungsstätten: und zwar vier Schulen – zwei in Zürich, eine in Bern, und eine in Genf. Die Ausbildung zur diplomierten Dentalhygienikerin HF steht auf der Stufe der Höheren Fachschule, umfasst 5400 Lernstunden und dauert zwischen zweieinhalb und drei Jahren. Wer eine der vier schweizerischen Ausbildungsstätten besuchen will, muss neben einem Abschluss auf Sekundarstufe 2 eine erfolgreich absolvierte Eignungsabklärung vorweisen. Wer jedoch bereits Dentalassistentin EFZ ist, hat die Möglichkeit, einen verkürzten Ausbildungsgang zu absolvieren. Und selbst mit der Matura in der Hand kann man Dentalhygieniker werden. Für Thomas von Wyttenbach ist aber klar: „Diese Ausbildung ist kein Zuckerschlecken. Die Anforderungen sind sehr hoch, man braucht schon ein gewisses Vorwissen und die Kosten sind nicht zu unterschätzen.“
Nach mehrmaligem Spülen und Zähne zeigen scheint ein Ende in Sicht. Die Dentalhygienikerin nimmt das Gespräch wieder auf. Nach einem kurzen Schwatz zückt sie Zahnpasta und eine Art elektrische Zahnbürste. Zahn um Zahn trägt sie die Pasta mit den angenehmen Bewegungen der Bürste auf. Dann wieder: „Bitte Spülen.“
„Das ist ein typischer Imagejob. Männer gibt es in diesem Beruf praktisch keine.“
Weshalb ist eigentlich stets die Rede von Dentalhygienikerinnen und nie von Dentalhygienikern? „Das ist ein typischer Imagejob. Männer gibt es in diesem Beruf praktisch keine“, so Thomas von Wyttenbach. Von den über 2000 Mitgliedern im Verband Swiss Dental Hygienists sind nur gerade 14 Männer. „Ein Grund dafür ist sicher, dass die grosse Mehrheit der Dentalhygienikerinnen zuerst eine Lehre als Dentalassistentin absolviert“, weiss Conny Schwiete. Und Thomas von Wyttenbach sieht noch einen weiteren Punkt, der den Beruf interessant für Frauen macht: „Dentalhygienikerinnen können sehr flexibel und in Teilzeit arbeiten.“ Neben der Selbstständigkeit sei auch Geschicklichkeit und Freude am Kontakt mit Menschen in diesem Job gefragt. Thomas von Wyttenbach ist froh, dass er zwei Dentalhygienikerinnen zu seinem Team zählen kann, denn längst nicht jede Zahnarztpraxis hat dieses Angebot. Eine Ausbildungsstelle bietet er momentan aber nicht an. „Wenn ich eine Person ausbilde, will ich ausreichend Zeit investieren können.“ Nach dem Motto: Wenn, dann aber richtig. Er kann sich aber durchaus vorstellen, bald wieder einen Ausbildungsplatz anzubieten. Denn: „Es ist wichtig, dass wir Zahnärzte diese Chance bieten, sonst bleibt der Mangel an Dentalhygienikerinnen immer ein Problem.“
Mit dem Zähneputzen ist Schluss. Doch mit der Behandlung nicht. Die Dentalhygienikerin zückt ein Stück Zahnseide und widmet sich nochmals allen Zahnzwischenräumen. Dank geübten Handgriffen ist aber auch das schnell vorbei. Ein letzter Kontrollblick, dann ist Schluss. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass der Besuch bei der Dentalhygienikerin lang nicht so schlimm ist wie befürchtet. Und: Die Zähne fühlen sich so richtig sauber an. Ein tolles Gefühl, das einen buchstäblich strahlen lässt.
Eine ähnliche Tätigkeit wie die Dentalhygienikerin übt die Prophylaxeassistentin aus. Die Ausbildung zur Prophylaxeassistentin ist aber kürzer. Während die Dentalhygienikerin im Bereich der Gesundheitsförderung und der nicht chirurgischen Paradonaltherapie – also der Behandlung von Zahnfleischentzündungen – tätig ist, konzentriert sich die Prophylaxeassistentin eher auf die Aufklärung und die Instruktion der korrekten Mundhygiene sowie die Entfernung von Ablagerungen an den Zähnen oberhalb des Zahnfleisches. Eine Prophylaxeassistentin hat vor allem mit Kindern und Patienten ohne parodontale Probleme zu tun. Die Dentalhygienikerin befasst sich hingegen mit Zahnfleischproblemen, mit medizinischen Risikopatienten oder zum Beispiel auch mit Schwangeren und Rauchern.