Gepostet 20.06.2016, Myriam Arnold
Die Universitätsstadt Cambridge, in der die Zeit stehengeblieben zu sein scheint, beheimatet nicht nur internationale Wissenschaftler wie die Schweizerin Cora Olpe, sondern auch eine Organisation, die Englisch in die Welt hinausträgt.
Seelenruhig bahnt sich der Fluss Cam seinen Weg durch die britische Grafschaft Cambridgeshire und das Städtchen Cambridge. Auf ihm tummeln sich Enten, Schwäne und unzählige Stechkahne, so genannte punts, die mehrheitlich von Studierenden gesteuert werden. Der flache Fluss führt vorbei an altehrwürdigen Bauwerken wie dem Trinity College, der King’s College Chapel und dem Zuhause von Charles Darwin. Der Wind geht kühl, vereinzelt dringen Sonnenstrahlen durch die dicke Wolkendecke. Unter der Mathematical Bridge durchfahrend erzählt der manövrierende Physik-Student, dass die Brücke einem Mythos zufolge von Sir Isaac Newton ohne Bolzen und Muttern erstellt wurde. Ein Urglaube, der sich hartnäckig halte. Alles an der Szenerie auf dem Cam und an der Stadt selbst ist getränkt mit Geschichte und Romantik.
Die Stadt, die 80 Kilometer nordöstlich der Metropole London liegt, hält sein historisches Erbe hoch – ist aber auch bemüht, die Zukunft zu prägen. Die Universitätsstadt zählt rund 125‘000 Einwohner, wovon ein Fünftel in den insgesamt 31 Colleges studiert und doktoriert (Stand 2011). Auch eine Schweizerin: Die 24-jährige Cora Olpe aus Bottmingen BL absolvierte den Bachelor und den Master of Science in Naturwissenschaften mit dem Fachgebiet Biochemie an der University of Cambridge. Seit 2015 schreibt sie nun ihre Doktorarbeit und forscht im Bereich Darmstammzellen und Darmkrebs. Nach wie vor ist die Baselbieterin dem Charme von Cambridge verfallen: „Die hiesige Wissenschaftsgemeinschaft ist faszinierend und inspirierend. Ich entdecke täglich Neues zusammen mit Wissenschaftlern, die auf ihrem Gebiet weltweit führend sind.“
Zugang zu dieser Gemeinschaft verschafften Cora Olpe nicht nur ihre Faszination für Wissenschaft und Forschung, sondern auch harte Arbeit, Fleiss und Ehrgeiz. „Wer in Cambridge Naturwissenschaft studieren will, der muss bei der Matura die Fächer Mathematik, Physik, Chemie und Biologie mit einem Durchschnitt von 5.75 abschliessen und gesamthaft mindestens einen Schnitt von 5.5 erreichen“, sagt die 24-Jährige. Zudem sei sie zum Interview nach Cambridge geladen worden, um ihre Kompetenzen im Fachgebiet und in der englischen Sprache unter Beweis zu stellen. „Für die Zulassung zur University of Cambridge muss das Englisch der internationalen Studierenden auf C2-Niveau sein“, erklärt Olpe.
Auf Zertifikatsprüfungen in Englisch für Nicht-Muttersprachler hat sich eine Non-Profit-Organisation der University of Cambridge spezialisiert. Cambridge English Language Assessment entwickelt und organisiert Prüfungen wie das Cambridge English: First, Advanced oder Proficiency, die jährlich von mehr als fünf Millionen Kandidaten in mehr als 130 Ländern abgelegt werden. Der Trend ist steigend. „Aufgrund der Globalisierung und des zunehmenden Studentenaustauschs in der Hochschulbildung wollen und müssen Arbeitnehmende und Studierende ihre Englisch-Kenntnisse ausweisen“, erklärt Nicola Johnson von der NPO.
„Das australische Departement für Einwanderung und Grenzschutz anerkennt das Advanced bei der Ausstellung des Studentenvisums.“ Nicola Johnson
Auch Cora Olpe hätte eigentlich ein Cambridge English: Proficiency vorlegen müssen, doch: „Nach dem Gespräch vor Ort erhielt ich die Aufnahmebestätigung und die Proficiency-Prüfung war hinfällig.“ Interviews mit potentiellen Studenten seien nicht überall die Regel, deshalb würden Universitäten besonders in englischsprachigen Ländern Advanced und Proficiency akzeptieren. „Das australische Departement für Einwanderung und Grenzschutz anerkennt das Advanced gar bei der Ausstellung des Studentenvisums und anderen Visa-Programmen“, so Johnson.
Demzufolge trägt Cambridge English Language Assessment grosse Verantwortung, die über eine faire Zertifizierung der Englisch-Qualifikationen hinausgeht. „Seit unsere Zertifikate immer breiter anerkannt werden und als Grundlage für die Ausstellung von Visa und Aufenthaltsbewilligungen dienen, mussten wir unsere Sicherheitsstandards sukzessive erhöhen“, sagt Phil Gibbins, Assessment Group Manager. „Wir müssen dafür sorgen, dass Teilnehmende nicht betrügen und zum Beispiel jemand anderes für sie die Prüfung schreiben lassen“, so Gibbins. Mit Ausweiskontrollen vor und während den Prüfungen und Fotoaufnahmen vor jedem neuen Part werde dies sichergestellt.
„Die hiesige Wissenschaftsgemeinschaft ist faszinierend und inspirierend.“ Cora Olpe
Auch in der Prüfungsproduktion und -logistik sind Sicherheitsmassnahmen nötig. Ein paar Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, fernab vom romantisch verspielten Cambridge, liegt kontrastreich DC10. Die moderne Produktions- und Lagerhalle von Cambridge Assessment scheint mit dem Kamera- und Handy-Verbot für Besucher, den über 180 Überwachungskameras und Gitterzäunen wohlbehüteter als eine Druckerei für Banknoten. In Spitzenzeiten sorgen bis zu 250 Mitarbeitende auf einer Fläche von gut drei Fussballfeldern dafür, dass Cambridge English-Prüfungen gedruckt, verschickt, korrigiert, gescannt und gelagert werden.
Wahrhaftig, im geschichtsträchtigen Cambridge herrscht emsiges Treiben zum Wohle der Schaffung und Vermittlung von Wissen. Cambridge baut Brücken und das ist überall spürbar: in den verschlungenen Gassen, in den Colleges und auf dem Fluss Cam. Jede Person in dieser Universitätsstadt, ob natürlich oder juristisch, engagiert sich mit Herzblut und ist bemüht, die Welt(en) zu verbinden und die Geschichte mitzuschreiben. Diese Kombination aus Zurück- und Vorwärtsschauen macht das britische Städtchen zu einer Inspirationsquelle. Auch für Cora Olpe: „Ich liebe mein Doktoranden-Leben in Cambridge. Wer weiss, vielleicht bleibe ich für immer hier.“