Vergiss Powerpoint – was einen guten Rhetoriker ausmacht

Gepostet 22.09.2017, Martina Tresch

Sie zeigen sich mit vielerlei Gesichtern: Rhetoriker. Manch einer macht dem Zuhörer etwas vor, andere wollen eine echte Botschaft vermitteln. Bildung-Schweiz hat mit Rhetorikprofi Mario Brühlmann und dem Rhetorik Club Zürich gesprochen.

Rhetorik ist lernbar. Eine Weiterbildung kann weiterhelfen. (© Thaut Images / Fotolia)
Rhetorik ist lernbar. Eine Weiterbildung kann weiterhelfen. (© Thaut Images / Fotolia)

Früher war er eher scheu und nicht gerade redegewandt, hatte mit Rhetorik nichts am Hut. „Ein Freund entdeckte damals ein Talent in mir und empfahl mir einen Rhetorik-Kurs.“ Mario Brühlmann überwand seine Ängste, fand sogar bald Freude daran, sein Talent als Rhetoriker Schritt für Schritt zu entfalten. „Ich habe jede Gelegenheit wahrgenommen, mich im Überwinden von Hemmungen und im Reden zu üben.“ Heute hilft Mario Brühlmann anderen Menschen, sich wirkungsvoll auszudrücken. Seit mittlerweile fast 30 Jahren bietet er Rhetorik-Kurse an. Vor allem Jungunternehmer wollen bei ihm die Werkzeuge eines guten Redners erlernen. In der Schweiz, aber auch in Rumänien, Zentralasien, Vietnam und in Nepal hat er schon Menschen trainiert – bis heute sind es mehrere Tausend Seminarteilnehmende. Sein Rezept sei einfach: „Eine Portion Hintergrundwissen. Einige Beispiele. Vormachen. Üben. Rückmeldung und Tipps. Und wieder üben.“ Das alles tut er mit einer gehörigen Prise Humor. „Meine Seminarteilnehmenden sollen nicht nur gute Ideen entwickeln und harte Arbeit leisten, sondern auch diese gut verkaufen können.“

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Guter Rhetoriker ist nicht perfekt

Was aber zeichnet einen guten Rhetoriker aus? „Er ist echt, durchschaubar. Seine Rede ist nicht perfekt. Das wirkt steril. Aber er verwendet verschiedene Mittel, um die Zuhörer auf eine gemeinsame Gedankenreise mitzunehmen“, hält Mario Brühlmann fest. Weiter erklärt er, dass das Auftreten eines Rhetorikers selbstsicher und bescheiden zugleich sein sollte – die Stimme klar und verständlich, die Sprache unkompliziert und gepflegt. Und: „Er ist sich der Gefahr der Manipulation bewusst und beachtet ethische Grundwerte.“ Leider gebe es im Alltag nicht viele Beispiele guter Rhetorik. Viele Rhetoriker hätten schlicht nichts zu sagen und würden dies mit rhetorischem Geschick kompensieren. „Wer nichts zu sagen hat, sollte einfach schweigen“, findet der 65-Jährige. Oft gehe es Rednern leider darum, sich selbst zu inszenieren oder Zuhörer zu manipulieren und nicht etwa darum, einen Inhalt, eine Sache zu vermitteln. „Der Inhalt, den ein Redner präsentiert, soll dem Zuhörer einen Mehrwert bringen, zum Beispiel mehr Wissen oder fundierte Entscheidungsgrundlagen“, so Mario Brühlmann, dem spontan ein guter Rhetoriker in der Schweiz einfällt: Gottfried Locher, Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes. „Er denkt bevor er redet. Er hat eine klare Meinung, versucht aber auch auf andere Standpunkte einzugehen. Er spricht mit klarer Stimme, kurzen Sätzen und ist fern von Populismus.“

„Der Inhalt, den ein Redner präsentiert, soll dem Zuhörer einen Mehrwert bringen, zum Beispiel mehr Wissen oder fundierte Entscheidungsgrundlagen.“

Älteste Teilnehmerin über 70

Mit seinen Kursen hat es sich der Unternehmer zur Aufgabe gemacht, sein Wissen in Sachen Rhetorik weiterzugeben. Die Teilnehmenden kommen dabei aus allen möglichen Berufen, oft seien es aber Frauen und Männer, die Projekte oder Unternehmen leiten. Seine älteste Teilnehmerin war über 70 Jahre alt und hatte gerade ein Buch geschrieben, das sie an öffentlichen Auftritten vermarkten sollte. „Sie hat das mit Bravour bewältigt“, freut er sich. Doch hat jeder das Zeug zum guten Rhetoriker? „Nein“, so Mario Brühlmann, „das gelingt nicht jedem. Und muss es auch nicht.“ Ein Koch etwa solle mit dem was auf dem Teller ist, überzeugen, nicht etwa mit seiner Redekunst. Und dennoch: Eine gute Ausdrucksweise hilft auf der Karriereleiter. „Das ist definitiv so.“ Mario Brühlmann findet gerade das manchmal auch schade. Und zwar dann, wenn „gut qualifizierte Fachleute gegen schlechter qualifizierte verlieren, nur weil diese besser reden können“. In seinen Seminaren arbeitet der Experte insbesondere an drei Säulen.  Erstens: Wer etwas zu sagen hat, muss reden können. Zweitens: Wer etwas zu verkaufen hat, muss präsentieren können. Drittens: Wer etwas bewegen will, muss überzeugen können. „Diese Eigenschaften sind den wenigsten Menschen in die Wiege gelegt. Man kann sie auch nicht kaufen. Sie sind lernbar. Das verlangt Wissen, Einsatz und Überwindung.“

Tipps von Mario Brühlmann zur Verbesserung der eigenen Redekünste:

  • Jede Gelegenheit wahrnehmen, zu reden oder aufzutreten
  • Üben
  • Sich Fehler erlauben – diese können korrigiert werden
  • Wirkung und Reaktionen analysieren – mit einem Coach die Erkenntnisse besprechen
  • Und: Vergessen Sie Power-Point. Machen Sie Bilder mit gut gewählten Worten oder mit einem Flipchart.
  • Mehr üben
  • Zu guter Letzt: Wer rhetorische Fragen in eine Rede einbauen kann, steigt in eine höhere Rhetorik-Liga auf.

Mario Brühlmann ist Buchautor und Unternehmer. Seit fast 30 Jahren unterstützt er Jungunternehmer beim Auf- und Ausbau von KMU in der Schweiz und in Entwicklungsländern.

 

Klub hilft, rednerisches Können zu verbessern

Diese Überwindung, vor andere zu treten und seine Botschaft wirkungsvoll zu transportieren, kann auch regelmässig trainieren, wer gern möchte, und zwar in einem Verein. Solch ein Verein ist der Rhetorik Club Zürich. „Die meisten Personen haben kein Problem sich mit Freunden zu unterhalten. Sobald man aber vor einem unbekannten Publikum auftreten oder ein wichtiges Gespräch führen soll, ist man überfordert“, erklärt Reto Weilenmann. Er war bis vor Kurzem Präsident des Rhetorik Clubs Zürich. Der Mit 60 Mitgliedern grösste Redeklub Zürichs trifft sich alle zwei Wochen. Die Mitglieder verfolgen dabei das Ziel, ihr rednerisches Können zu verbessern – mitmachen kann jeder und jede über 18. „Allein durch die Mitgliedschaft wird man nicht zu einem Redegenie. Man muss in unserem Klub bereit sein, seine Hemmungen zu überwinden, aktiv teilzunehmen und ins kalte Wasser zu springen“, so Reto Weilenmann, der sich früher schon für einen guten Redner hielt. Bis, ja bis er einmal bei einer Rede gefilmt wurde. „Bei der Betrachtung des Videos wurde mir klar, dass ich noch Verbesserungspotential habe und so entschied ich mich, an meinen Redekünsten zu feilen.“ So kam er zum Rhetorik Club Zürich.

„Da Toastmasters nicht einfach ein Redeklub, sondern ein Ausbildungskonzept ist, wird Feedback bei uns grossgeschrieben.“

Von der Königsdisziplin: den Stegreifreden

Die Treffen dauern jeweils rund zweieinhalb Stunden und sind in drei Teile gegliedert. In einem ersten Teil lauschen die Mitglieder vier vorbereiteten Reden. Im zweiten Teil folgt die Königsdispizlin: die Stegreifreden. Dabei wird ein Thema vorgegeben, zu dem man sofort eine 1- bis 2-minütige Rede halten muss. „In der Theorie tönt dies zwar einfach, doch eine in sich stimmige Rede innert Sekunden zu entwickeln ist, wenn man denn überhaupt Ideen hat, eine harte Nuss“, sagt Reto Weilenmann. Der Zürcher Verein gehört den sogenannten „Toastmasters“ an, einer gemeinnützigen Organisation mit weltweit mehr als 352’000 Mitgliedern, die sich der Ausbildung in der Kunst des öffentlichen Auftretens verschrieben hat. „Da Toastmasters nicht einfach ein Redeklub, sondern ein Ausbildungskonzept ist, wird Feedback bei uns grossgeschrieben“, hält Reto Weilenmann fest. Im dritten und letzten Teil der Treffen folgen daher Bewertungen – zu jeder vorbereiteten Rede wird eine Bewertungsrede gehalten, ein Füllwortzähler berichtet über die verwendeten „Ähs“ oder unnötigen Wortwiederholungen. Ausserdem weist eine Sprachhüterin auf falsche Sätze hin und es gibt sogar einen Gesamtbewerter. „Dadurch, dass wir eine Übungsgelegenheit und Feedback geben, können wir den Leuten wirklich weiterhelfen.“

Tipps des Rhetorik Clubs Zürich zur Verbesserung der eigenen Redekünste:

  • Gute Körperhaltung und Gestik
  • Augenkontakt
  • Stimmvielfalt (Modulation, Tempo) und eine klare Aussprache
  • Redestruktur
  • Hilfreich: Sich während einer Rede filmen lassen und danach die Aufnahme analysieren.

Der Rhetorik Club Zürich wurde 2005 gegründet und ist Mitglied von Toastmasters International. Ziel des Klubs ist es, in einer gegenseitig unterstützenden und positiven Lernumgebung die rhetorischen Fähigkeiten zu verbessern.

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