Anja Zeidler: Ihr Leben als Influencerin

Gepostet 27.05.2024, Kim Zgraggen

Viele träumen von einem Leben als Influencer. Doch wie glamourös ist dieses Leben tatsächlich? Ein Einblick in die faszinierende Welt eines Social-Media-Stars.

Anja Zeidler: Traumhafte Locations & gechilltes Leben, aber auch viel Arbeit. Foto: Anja Zeidler
Anja Zeidler: Traumhafte Locations & gechilltes Leben, aber auch viel Arbeit. Foto: Anja Zeidler

Unzählige Stunden werden heutzutage auf den Sozialen Medien verbracht. Im Internet sieht man Luxus pur und wie man mit einem Selfie ganz einfach Geld verdient. Das verlockt dazu, selbst zum Internetstar zu werden. Doch wie einfach ist das in Wirklichkeit?

Anja Zeidler bewegt sich seit 13 Jahren in dieser Branche und weiss, was dies heisst. Sie spricht ihre mittlerweile über 250‘000 Follower mit ihrem Content über Familie, gesunde Ernährung, Well-being, Hausbau und Selbstliebe an. Angefangen hat sie auf Instagram aus Spass – die Idee entstand dank ihren russischen Freundinnen während einem Austauschjahr in Nizza. «Ich habe begonnen, eine Art Tagebuch über meine Trainings und Ernährungsgewohnheiten zu teilen, was für mich ein Hobby war», sagt die 30-Jährige Influencerin Anja Zeidler. «Viele Zuschauer zeigten grosses Interesse an diesem Thema und ich mutierte plötzlich zur Online-Trainerin und Fitness-Inspiration.» Sie startete tatsächlich als erste Schweizerin, eine Proto-Influencerin, wie sie es auch gerne nennt, durch. Denn damals gab es die Bezeichnung Influencer und Influencerin noch gar nicht. 

Erst später wurde ihr Hobby für Anja Zeidler lukrativ, mit ersten Kooperationsanfragen: «Ich erinnere mich an einen Fitnessshop in meiner Heimatstadt Luzern. Dieser bot mir kostenloses Proteinpulver gegen ein Selfie mit dem Produkt auf meinem Account an.» Damals ahnte noch niemand, wie beliebt die Sozialen Medien für Geschäfte sein könnten. Sie erzählt, wie Unternehmen – und auch sie selbst – nach und nach realisierten, dass Influencer-Marketing die modernste Form der Werbung ist.

Der Schein trügt

Aber wie relaxt und luxuriös ist das Leben als Influencerin denn wirklich? «Traumhafte Locations & gechilltes Leben – ja, manchmal, häufig sogar in Form von Kooperationen. Das heisst, man wird zum Beispiel in ein Restaurant eingeladen und je nach Deal auch noch dafür bezahlt, dass man dafür Werbung macht. Klingt toll. Ist es auch.» Wo liegt der Haken an der Sache? «Stelle dir vor: Man sitzt mit seiner Familie beim Essen. Statt aber zu geniessen, nervt man sein Umfeld nonstop mit Filmaufnahmen und ‹Stopp, noch nicht essen, ich muss zuerst fotografieren!› und ‹Kannst du mich kurz filmen, wie ich diesen Salat esse? Nein, nochmal, der Winkel stimmt nicht!› oder ‹Können wir alle kurz den Tisch wechseln? Das Licht ist hier drüben besser›, beschreibt Anja Zeidler mit einem Lachen die Situation. Bis dann endlich gegessen werde, sei das Essen bereits kalt.

Influencer beim Dreh eines Videos für einen Social-Media-Post. Foto: Adobe Stock
Influencer beim Dreh eines Videos für einen Social-Media-Post. Foto: Adobe Stock
Was viele am Leben eines Influencers nicht sehen, sei der ganze Aufwand. «Es sieht glamourös aus, doch es steckt viel Arbeit dahinter.» Hinter dem 15-Sekunden-Werbevideo, das die Follower sehen, manchmal fast ein bis zwei Tage, wie die 30-Jährige weitererzählt.

Aber wie funktioniert das genau mit dem professionellen Marketing? Wer geht auf wen zu und kann man damit auch Geld verdienen? Das Influencer-Marketing ist unumstritten die modernste Art von Werbung. Mittlerweile können auf Internetplattformen vergleichbare Zuschauerzahlen wie im TV erreicht werden, erst recht, wenn der Post viral geht. «Grundsätzlich schreiben Firmen, welche an einer Influencer-Kooperation interessiert sind, den entsprechenden Influencer direkt an und man einigt sich auf einen Win-Win-Deal», so die Influencerin. Als Influencer könne man aber auch sogenannte «Blindbewerbungen» schreiben, bei denen der Influencer oder die Influencerin auf die Unternehmen selbst zugeht, um auf eine Kooperation aufmerksam zu machen.

Vorbild für andere

Was für Anja Zeidler sehr wichtig ist: Authentisch zu bleiben und ihren Followern zu zeigen, dass es im Leben auch schlechte Momente geben kann. «Leider zeigen die meisten Influencer nur perfekte Momente und schalten die Kamera beim weniger Glamourösen ab. Dies ist ein grosses Problem von Social Media», wie Anja Zeidler findet. «Wenn eine junge Frau nur noch Content mit Beautyfiltern sieht, kratzt das an ihrem Selbstwertgefühl.» Die Reichweite des Internets, und was für Folgen diese für junge Menschen haben kann, ist nicht zu unterschätzen. Auch Anja wurde einst Opfer dieser Schönheitsideale auf den Sozialen Medien und überschritt dabei ihre eigenen Grenzen: «Ich begann, Anabolika zu konsumieren und mir die Brüste und Lippen zu vergrössern, weil ich, wie alle anderen, die ich auf Instagram sah, perfekt aussehen wollte. Zum Glück bin ich heute davon losgekommen, habe diese Veränderungen rückgängig machen und wieder zu meinem authentischen Selbst finden können», so Anja Zeidler. 

Die Kehrseite der Medaille

Wie in jedem Beruf hat auch dieser seine Schattenseiten. Denn das Kapital der Influencer sind ihre Follower. Es ist also wichtig, Follower zu gewinnen und dementsprechend neue anzulocken. Ein Erfolgsrezept hat sich auch für Anja Zeidler herauskristallisiert: Man müsse sich ein Thema aussuchen und kontinuierlich Mehrwert dazu posten. «Eine Mischung aus hochwertigem, authentischem Content, welcher bei der Zielgruppe ankommt, und Kontinuität sind die Erfolgsgeheimnisse eines Influencers», so die 30-Jährige. «Du musst täglich aktiv sein und entertainern, sodass der Algorithmus deinen Content verbreitet und du wachsen kannst.» Klingt also nicht so gechillt, wie man zu Beginn möglicherweise angenommen hat. 

Auch für Influencer ist das konstante «Da sein» fordernd. Privatsphäre und Anonymität sind in einem Arbeitsvertrag im Kleingedruckten festgehalten. Urlaub machen heisst in diesem Beruf, nicht einfach loslassen und sich zurücklehnen und geniessen. «Man kann praktisch nie abschalten. The Show must go on – auch im Urlaub. Die Follower wollen überall via Content dabei sein, so mache ich beinahe nie einfach ‹nur› Ferien. Kein Follower möchte nur Werbung sehen.» 

Das Verhältnis zwischen Content und Werbung müsse stimmen. Wichtig sei zu realisieren, dass man einen Grossteil seiner Privatsphäre für seine Berufung hingibt. «Man kann die Grenzen aber selber ziehen, was man zeigen will und was nicht. Ich zum Beispiel zeige die Gesichter meiner Kinder nicht», sagt die Influencerin. Sich selbst im Prozess des Influencers nicht zu verlieren, den Erwartungen der Follower gerecht zu werden und dabei noch authentisch zu bleiben, erscheint schwierig. Ein grosser Eingriff in die Privatsphäre. Traumberuf Influencer muss man sich also gut überlegen. Trotz allem: Die Faszination Influencerin bleibt.

Weiterbildungsangebote

FHNW Fachhochschule Nordwestschweiz
Professorin Martina Dalla Vecchia unterrichtet an der FHNW CAS-Lehrgänge wie: Digital Marketing, Social-Media-Marketing, Content-Marketing und Content-Creation. Diese Kurse werden primär von Personen, die für Organisationen und Unternehmen arbeiten, besucht. «Seit mehreren Jahren nehmen auch Influencerinnen und Influencer teil, die gezielt ihre Fachkompetenzen aufbauen und diese so in ihrem Lebenslauf sichtbar machen», so Prof. Martina Dalla Vecchia. Die Schwerpunkte in diesen Lehrgängen sind: «Grundverständnis von Social Media, den Plattformen, der Content-Erstellung und Publikation sowie der eigenen Vermarktung», erklärt die Professorin weiter. Der Trend ist heutzutage, dass Unternehmen sich mehr auf Influencer-Marketing verlassen und darin investieren. «Wir sehen einen Trend vom Generalisten zum Spezialisten, da sich Influencer zunehmend auf bestimmte Bereiche konzentrieren.» Um Influencer zu werden, braucht man aber auch gewisse Voraussetzungen. Professorin Martina Dalla Vecchia beschreibt, wie man Unternehmensgeist, Durchhaltevermögen, Begeisterung für die Erstellung von digitalen Inhalten und Selbstbewusst mitbringen sollte. «Man vermarktet sich immer selbst», so Dalla Vecchia. Falls es aber als Influencerin und Influencer nicht reicht, können die erlernten Skills auch im Bereich Content-Erstellung und Vermarktung für Unternehmen gebraucht werden.

fhnw.ch

Swiss Content Creator & Influencer Academy
An der Swiss Content Creator & Influencer Academy sieht das ähnlich aus. Da werden die Lehrgänge aber spezifisch für Content-Creators und Influencer angeboten. Christoph Soltmannowski, Medienverantwortlicher, sieht folgende Schwerpunkte:

  • Professionelles Texten, Schreiben, Redigieren
  • Fotografie: Bild und Bildbearbeitung
  • Webvideos: Dreh, Schnitt, Vertonung
  • Community Building
  • Content Marketing & Influencer Marketing
  • Persuasion und Beeinflussung: Psychologische Grundlagen und weitere.

Ein Trend erkennt Soltmannowski in aktuellen Themen wie Umweltjournalismus und Künstlicher Intelligenz. Auch für diese Ausbildung sollte man ein gewisses Know-How mitbringen. «Interesse, Geduld und Begabung zum Schreiben, Fotografieren, Filmen und ein Talent für Storytelling. Als Influencer zu arbeiten, bedeutet – zumindest am Anfang – auch harte Arbeit. Es ist bestimmt keine «Abkürzung» zu schnellem Geld und Reichtum», so Christoph Soltmannowski. Wenn man als Influencer trotzdem keinen Erfolg hat, kann man die erlernten Skills auch im Marketing, Journalismus und anderen Bereichen der Kommunikation brauchen.» 

Swiss Content Creator & Influencer Academy

Ähnliche Beiträge

Unsere aktuellsten Beiträge
Weiterführende Informationen